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Das Mächtige Häuflein - 5 russische Komponisten im Porträt

Das Mächtige Häuflein setzte fort, was Glinka, der Vater der russischen Musik, begonnen hatte.
Das Mächtige Häuflein setzte fort, was Glinka, der Vater der russischen Musik, begonnen hatte.
Die russische Musik des 19. Jahrhunderts ist ohne diese fünf Komponisten undenkbar: Modest Mussorgsky, Nikolai Rimski-Korsakow, Alexander Borodin, Cesar Cui und Mili Balakirew. Diese Künstler verfolgten die gleichen musikalischen Ziele in ihren Werken und schlossen sich daher zu einer Gruppe zusammen, dem sogenannten "Mächtigen Häuflein".

Warum eigentlich "Mächtiges Häuflein"? - Einige Hintergrundfakten

Zum sogenannten "Mächtigen Häuflein", auch "Gruppe der Fünf" genannt, gehörten fünf russische Komponisten. Zwei von ihnen, Modest Mussorgsky und Nikolai Rimski-Korsakow, gehören noch heute zu den berühmtesten russischen Komponisten überhaupt. Neben diesen beiden zählten Cesar Cui, Mili Balakirew und Alexander Borodin zum Kreis der Musiker.

  • Balakirew selbst war es, der die Gruppe 1857 ins Leben rief. Da es zunächst eine nur zufällig zusammengewürfelte kleine Zahl von Musikern zu sein schien, wurden sie verächtlich als "kleiner Haufen" bezeichnet. Wladimir Stassow jedoch, ein befreundeter Kunstkritiker und Förderer der Gruppe, behauptete, es sei zwar ein kleines, aber doch mächtiges Häuflein. Der Erfolg der Musiker gibt dieser Bezeichnung auch heute noch Recht.
  • Was die fünf Komponisten von anderen Zeitgenossen unterschied, war ihre musikästhetische Einstellung. Im Gegensatz zu einem Komponisten wie Tschaikowsky beispielsweise, hatte keiner von ihnen eine künstlerische Ausbildung am Konservatorium genossen. Jeder von ihnen übte hauptberuflich eine andere Tätigkeit aus als die des Musikers.
  • Genau diese Haltung, die natürliche, ungekünstelte, versuchten die Komponisten in ihre Musik einfließen zu lassen. Das große Ziel hierbei war es, durch ihre eigenen Neuerungen die gesamte russische Musik zu reformieren.
  • Großes Vorbild war für sie der Komponist Michail Glinka (1804-1857), der aufgrund seiner Liebe zur russischen Volksmusik "Vater der russischen Musik" genannt wurde.
  • Im Sinne der Bevorzugung eines russisch-nationalen Stils orientierte sich das "Mächtige Häuflein" weniger an westlicher Kunstmusik als an heimatlicher Volksmusik. Als Gegenpol zum ihnen verhassten Konservatorium gründeten sie 1862 die "Freie Musikschule" in St. Petersburg.
  • Statt des geschliffenen Stils, der am Konservatorium gelehrt wurde, forderten die Komponisten des "Mächtigen Häufleins" einen speziell russischen Ton. Dies bedeutete, dass ein großer Schwerpunkt auf traditionellem russischen Volksliedgut lag. Dieser Aspekt ist in sämtlichen Kompositionen unüberhörbar. Er sorgt dafür, dass russische Musik für westeuropäische Ohren einen ganz eigenen, unverwechselbaren Klang hat.

Das "Mächtige Häuflein" hatte nicht lange Bestand. Schon 1870 löste sich die Gruppe auf, da die verschiedenen Ansichten der Musiker sich nicht länger vereinbaren ließen. Viele Kompositionen, besonders von Mussorgsky und Rimski-Korsakow, haben jedoch diese Ära überdauert und gehören noch heute zum Konzertrepertoire.

Modest Mussorgsky - das tragische Genie

Modest Mussorgsky ist die bekannteste und gleichzeitig tragischste Figur des "Mächtigen Häufleins". Er musste im Laufe seines Lebens sowohl psychische Krisen als auch schwerwiegende Alkoholprobleme erdulden. Diese waren letztendlich der Grund für seinen frühen Tod mit nur 42 Jahren.

  • Mussorgsky hatte ursprünglich eine militärische Laufbahn eingeschlagen, er war Offizier. Seine Liebe zum Komponieren entdeckte er 1960, als sein Scherzo in B-Dur entstand.
  • Mussorgskys Werk ist vergleichsweise klein. Bezeichnend ist, dass er zwar unterschiedlichste Gattungen verwendet, aber die gebräuchlichsten unter ihnen meidet. So enthält sein Gesamtwerk weder Sinfonien noch Streichquartette noch Sonaten.
  • Berühmt ist Mussorgsky für seine Oper "Boris Godunow", den Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung" und nicht zuletzt seine zahlreichen Liederzyklen. Ganz nach Programm, werden hier mal ernsthafte, tragische, mal heitere, ironische Töne anschlagen.

Nikolai Rimski-Korsakow - der Poet unter den Orchestrierern

Wie Mussorgsky war auch Rimski-Korsakow (1844-1908) von Haus aus nicht Komponist, sondern Seeoffizier bei der Marine. 1859 lernte er durch seinen Klavierlehrer die Komponisten Balakirew und Cui kennen. Diese entwickelten sich schnell zu Förderern seiner musikalischen Begabung und ermunterten ihn, zu komponieren.

  • Auf einer langen Schiffsreise, nach Abschluss seiner Ausbildung, komponierte Rimski-Korsakow seine 1. Sinfonie, die 1865 fertiggestellt wurde. Dies war der Moment, in dem er erkannte, dass die Komponistenlaufbahn seinem eigentlichen Wesen mehr entsprach als das Militär.
  • Rimski-Korsakow orientierte sich in seinen Kompositionen besonders an Glinka und Balakirew, aber auch an Berlioz und Liszt. Charakteristisch sind seine Sinfonischen Dichtungen wie "Scheherazade" oder "Russische Ostern", die durch eine außergewöhnlich farbige Instrumentation und eine fantasievolle Musiksprache auffallen.
  • Rimski-Korsakow und Mussorgsky waren eng befreundet, wobei es in musikalischer Hinsicht auch große Differenzen gab. Rimski-Korsakow orchestrierte etliche Werke Mussorgskys neu, zum Beispiel die "Nacht auf dem kahlen Berge". Kritiker loben hier seine kunstvolle Instrumentation, bedauern jedoch den Verlust der für Mussorgsky typischen Schärfe und Radikalität im Ausdruck.

Mili Balakirew, Cesar Cui und Alexander Borodin

Mili Balakirew (1837-1910) ist der Komponist des "Mächtigen Häufleins", dem die Gründung der Gruppe zu verdanken ist. Balakirew studierte Mathematik, machte sich aber von Anfang an eher als Pianist, Dirigent und Klavierlehrer einen Namen.

  • Balakirews Liebe zu einer russisch-nationalen Musiksprache wurde durch Glinka angefacht, den er 1855 kennenlernte und dessen Vision er fortsetzen wollte. Von 1857-1862 kamen nach und nach die vier Komponisten zusammen, mit denen er das "Mächtige Häuflein" gründete.
  • Von Balakirew sind heute kaum noch Kompositionen bekannt. Berühmt ist er jedoch für seine "Islamey" von 1869. Hierbei handelt es sich um eine orientalische Fantasie für Klavier, die ihn in die Reihe der ganz großen Pianisten einordnet.
  • Cesar Cui lebte von 1835 bis 1918. Wie Mussorgsky war er Offizier, gleichzeitig aber auch Musikkritiker. Cui war sehr aggressiv in seinen Ansichten, was sich in seinen Kritiken niederschlug. Ebenso vehement, wie er zu Anfang die Vorstellungen des "Mächtigen Häufleins" vertrat, verriss er später die Kompositionen seiner Kollegen.
  • Von Cesar Cui stammen einige Opern, diverse Vokalkompositionen, 3 Streichquartette und Klaviermusik. Leider werden seine Werke heute kaum noch aufgeführt und sind darum in Vergessenheit geraten.
  • Während Cesar Cui der erste war, den Balakirew für das "Mächtige Häuflein" rekrutieren konnte, stieß Alexander Borodin 1862 als letzter dazu. Borodin lebte von 1833 bis 1887 und arbeitete hauptberuflich als Arzt.
  • Borodins musikalische Laufbahn begann schon, als er mit 14 Jahren sein erstes Flötenkonzert komponierte. Später studierte er Harmonielehre und Komposition bei Balakirew, um seine Kenntnisse zu vertiefen und zu erweitern.
  • Auch Borodins Werke gehören heute nicht mehr zum traditionellen Konzertrepertoire. Die einzige Ausnahme bildet seine "Steppenskizze aus Mittelasien" von 1880. Diese Sinfonische Dichtung führt Ihnen als Zuhörer geradezu plastisch vor Augen, wie eine Karawane durch die Wüste zieht.

Zur Musik des "Mächtigen Häufleins"

Wenn Sie einige Kompositionen der hier vorgestellten Komponisten gehört haben, werden Sie gewisse Ähnlichkeiten feststellen.

  • Das charakteristische russische Kolorit enthält neben traditionellen Volksliedern eine besonders farbenfrohe Instrumentation. Glockenklänge sind ein beliebtes Stilmittel, sowohl in ihrer Aussagekraft als Freudensymbol wie auch als Totenglocke.
  • Charakteristisch für die Musik des "Mächtigen Häufleins" ist neben der Verwendung russischen Volksliedguts die Orientierung an der russischen Sprache. Besonders die Kompositionen Mussorgskys zeichnen sich dadurch aus, dass sie einer kunstvoll konstruierten Melodie stets die Einfachheit des natürlichen Sprachflusses vorziehen.
  • Ein Beispiel für diesen Aspekt ist Mussorgskys Liedzyklus "Kinderstube". Statt dass hier ein Erwachsener über die Welt der Kinder singt, lässt Mussorgsky die Kinder selbst zu Wort kommen. Der Gesang besteht weniger aus echten Melodien als aus kindlichem Sprechgesang, der durch eine ebenso kindliche Wortwahl unterstützt wird. Noch liebenswerter erscheint der Zyklus, wenn man bedenkt, dass es die Kinder von Freunden waren, denen Mussorgsky hier ein musikalisches Denkmal gesetzt hat.
  • Auch der orthodoxe Kirchengesang hat sich als typisch russisches Merkmal in der Musik der fünf Komponisten niedergeschlagen. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist Rimski-Korsakows Sinfonische Dichtung "Russische Ostern". Anhand eines umfangreichen Orchesters und einer ausgefeilten, vielschichtigen Instrumentation wird hier die ganze feierliche und glanzvolle Stimmung einer orthodoxen Osternacht musikalisch darstellt.

Nicht zuletzt ist es das radikale Moment des Wilden, Unkontrollierten, Natürlichen, das die Musik des "Mächtigen Häufleins" auszeichnet. Dies fällt besonders auf in Mussorgskys "Nacht auf dem kahlen Berge", denn in diesem Stück wird der Hexenritt in der Walpurgisnacht vertont. Wenn Sie bisher keine Vorstellung von diesem Ereignis hatten, hören Sie sich einfach die Komposition an. Über die Schaurigkeit und Grauenhaftigkeit eines solchen Spektakels lässt die Musik keine Fragen offen.

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