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Charakterisierung von Andri Andorra

Andri aus "Andorra" - eine der spannendsten Figuren der Theaterliteratur
Andri aus "Andorra" - eine der spannendsten Figuren der Theaterliteratur
"Andorra", die Uraufführung fand 1961 am Schauspielhaus Zürich statt, ist neben "Biedermann und die Brandstifter" das bekannteste Stück des Schweizer Autors Max Frisch und Andri mit seiner Charakterisierung eine der spannendsten Figuren der Theaterliteratur. Wissen Sie weshalb?

Möchten Sie Andri aus Max Frischs parabelgleichem Drama "Andorra" charakterisieren, so sollten Sie zunächst festhalten, dass die Konstitution der Figur selbst einen wesentlichen Aspekt des Inhalts von "Andorra" darstellt. Andri, der von seinem Vater als jüdisches Pflegekind ausgegeben wird, ist eigentlich dessen unehelicher Sohn, den er mit einer Frau des benachbarten Volks der sogenannten Schwarzen gezeugt hat. Die Identität als Jude haftet ihm jedoch zeitlebens an. Die Figur Andri und dessen Selbstwahrnehmung setzt sich zusammen aus seiner eigenen Wahrnehmung sowie der Zuschreibungen der antisemitisch geprägten Andorraner.

Andri - Charakterisierung durch die Andorraner 

Die Andorraner, die Bewohner Andorras, nehmen Andri in erster Linie als Juden wahr.

  • In Andorra herrscht ein offenes antisemitisches Verständnis vor. Beispielhaft für die Weise, in der sie Andri begegnen, ist das Verhalten des Tischlers. Der Tischler, bei dem Andri eine Lehre beginnt, verlangt von dessen Vater unüblich hohe Summen für die Ausbildung. Als Andri bei der Lehrlingsprobe einen sehr schönen Stuhl anfertigt, wird stattdessen der misslungene Stuhl eines Gesellen als Andris Lehrprobe ausgegeben und bewertet. Der Tischler äußert sich hierzu mit den Worten: "... wenn's einer nicht im Blut hat" und setzt ihn von diesem Augenblick an im Verkauf ein, da ihm diese Aufgabe als Jude naturgemäß mehr liege.
  • Darüber hinaus wird ihm die Schuld für verschiedene Vorfälle zugeschoben, unter anderem für den Steinwurf, mit dem seine eigene schwarze Mutter zu Tode kam.

Andris Selbstbild

  • Zunächst ist Andri sehr auf ein angepasstes Verhalten bedacht. Er versucht möglichst nicht aufzufallen, um nicht die Missgunst der Andorraner zu wecken. Überanpassung und ängstliche Loyalität bestimmen sein Verhalten. Seinem Vater gegenüber fühlt er sich aufgrund seiner vermeintlichen Adoption zu Dankbarkeit verpflichtet.
  • Als Andri zunehmend begreift, dass sein anpassendes Verhalten nicht genügt, um die Vorurteile der öffentlichen Meinung angesichts seines Judentums auszugleichen, beginnt er zu revoltieren.  Immer deutlicher trägt er die Rolle des Juden nach außen.
  • Selbst als sein Vater zu Andris Schutz dessen wahre Identität aufdeckt, wehrt er diese ab und verbleibt lieber in der Rolle des Juden und Sündenbocks. Immer mehr identifiziert er sich nun mit dem jüdischen Schicksal bis er die Rolle eines Märtyrers annimmt, die ihm schließlich den Tod einbringt, als er von den Schwarzen, die inzwischen Andorra eingenommen haben, an seinem Gang als vermeintlicher Jude identifiziert wird.

Andri zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung

In Max Frischs Drama "Andorra" können Sie auf sehr interessante Weise nachvollziehen, wie eine Figur ihr eigenes Selbstbild aus unterschiedlichsten indentitätsstiftenden Zuschreibungen und Selbstwahrnehmungen zusammensetzt und wie sie sich letztlich innerhalb der Charakterisierung, die sich ergibt, zurechtfindet und verhält. So ist "Andorra" keineswegs nur Schulstoff, sondern kann auch für Sie wie für jedermann bereichernde Lektüre sein.

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