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Breaking Bad - Charakteranalysen

Jesse tut die meiste Zeit, was Walter sagt - und Walter nutzt dies schamlos aus.
Jesse tut die meiste Zeit, was Walter sagt - und Walter nutzt dies schamlos aus.
Breaking Bad hat sich zu einer der beliebtesten Serien aller Zeiten entwickelt - vollkommen zu recht. Die Geschichte, in der Chemielehrer Walter White zum kaltblütigen Drogenbaron mutiert, ist mitreißend erzählt, die Charaktere sind vielschichtig und widersprüchlich. Da lohnt sich ein genauerer Blick auf die Figuren und ihre Entwicklung. (ACHTUNG, SPOILER: Lesen Sie bitte nur weiter, wenn Sie die Serie komplett gesehen haben.)

Walter White - vom Chemielehrer zum Drogenbaron

Walter White ist die zentrale Gestalt in Breaking Bad - mit ihm nimmt alles seinen Anfang, er ist es, der die Menschen in seiner Umgebung in den Abgrund stürzt.

  • Walter ist zu Anfang der Serie ein brillanter, aber unbedeutender Chemielehrer. Er ist ein spießiger Familienvater, wie er im Buche steht. Seine Ehe mit Skyler funktioniert, doch scheint sie der dominante Part in der Ehe zu sein. Dann wird Walter mit Lungenkrebs diagnostiziert - und beschließt, sein Leben zu ändern.
  • Über fünf Staffeln wird erzählt, wie Walter langsam zum Großkriminellen wird. Seine ursprüngliche Motivation - finanzielle Absicherung für seine Familie nach seinem Tod - wird mehr und mehr zum Selbstzweck. Doch das gesteht er sich erst in der letzten Folge ein: "I did it for me. I liked it", sagt er zu seiner Frau. Bis dahin begeht er all seine Verbrechen unter dem Deckmantel, seine Familie abzusichern bzw. später zu beschützen - wobei er derjenige war, der die Familie überhaupt erst in Gefahr gebracht hat.
  • Walter ist ein rücksichtsloser Mensch. Er opfert am laufenden Band Menschen für seine Zwecke. Während ihm der Mord an Crazy 8 anfangs noch sehr schwer von der Hand geht, avanciert er mehr und mehr zum Mörder, lässt Jesses Freundin Jane sterben, überfährt Dealer mit seinem Auto, räumt Mikes Leute im Gefängnis aus dem Weg, tötet sogar Mike. Er zögert nicht einmal, ein Kind zu vergiften, um seine Ziele zu erreichen.
  • Doch zeigt Walter auch hin und wieder Reue - zum Beispiel in der Folge "Die Fliege", in der er sich bei Jesse unter dem Einfluss von Schlaftabletten für Janes Tod entschuldigt, oder später, als er nach einer Dosis Schmerztabletten weint, weil er Jesse in einer Notlage nicht geholfen und ihm den Tod gewünscht hat. Auch der Mord an Mike erschüttert ihn selbst in dem Moment.
  • Die Beziehung zwischen Walter und Jesse ist sehr komplex und widersprüchlich. Anfangs verachtet Walter Jesse als dummen Junkie und lässt keine Gelegenheit aus, ihn zu beschimpfen und runterzumachen. Immer wieder tut er ihm schreckliche Dinge an, um seine Ziele zu erreichen, oder auch nur aus Rachsucht, als er zum Beispiel glaubt, Jesse würde ihn bei ihrem Komplott gegen Gus hintergehen. Der Gipfel ist wohl, als Walter Jesse an die Nazis ausliefert, wohl wissen, dass diesem Folter und Tod bevorstehen.
  • Doch Walter sieht in seinem Partner auch eine Art Ersatzsohn, um den er sich auf seine Weise kümmert und den er mehr als einmal rettet. Er schützt Jesses Leben, indem er Gus Dealer überfährt, womit er sich selbst in die Schusslinie begibt, und rettet Jesse noch an anderen Stellen. Er möchte Jesse auch als Partner nicht verlieren, was sich deutlich zeigt, als er in Staffel 5 alles daransetzt, Jesse im Methbusiness zu halten. Bis ihr Verhältnis gegen Ende der letzten Staffel endgültig in die Brüche geht, weist er jeden Vorschlag, Jesse einfach aus dem Weg zu räumen - von Saul, Skyler, Mike etc. - von sich und sucht nach einer anderen Lösung. Bewegend ist der Moment, in dem Walter nach seinem Kampf mit Jesse im Schmerztablettennebel seinen Sohn Walter Jr. mir "Jesse" anspricht.
  • Walter liebt auch seine Familie ehrlich. Er würde nie etwas tun, was ihnen direkt schadet - im Gegenteil, er ist am Ende sogar bereit, alles zu opfern, um Hank das Leben zu retten, obwohl dieser ihn ins Gefängnis bringen würde. Er sieht jedoch nicht, dass er es selbst war, der seine Familie in diese Lage gebracht hat. Wie Skyler passend sagt: "Someone has to protect this family from the man, who protects this family."
  • Walter ist über jedes Maß egozentrisch. In seiner Welt dreht sich alles um ihn - und er gefällt sich in dieser Rolle, selbst wenn gegen ihn gearbeitet wird. Er sieht sich gern als Genie, als unentbehrlich, als Zentrum des Meth-Geschäfts.
  • Seiner Egozentrik entspricht es, dass er es genießt, die Menschen in seinem Umfeld zu manipulieren. Bei Jesse hat er damit leichtes Spiel, doch später kontrolliert er auch Skyler, wohl wissend, dass sie Angst vor ihm hat. Er liebt Ränke, Intrigen und Täuschungen - der Plan, mit dem Gus schließlich beseitigt wird, beruht darauf, Jesse durch ein sehr riskantes Spiel wieder auf seine Seite zu ziehen und den alten Hector Salamanca als "Verbündeten" ins Boot zu holen, indem er dessen Hass auf Gus ausnutzt.
  • So ist Walter White eine zunehmend hassenswerte, doch auch zwiespältige Figur, die egoistisch, größenwahnsinnig und kaltblütig ist, doch gleichzeitig immer wieder Momente hat, in denen noch verbliebene Menschlichkeit in ihm durchkommt.

Schwerkrimineller mit Herz: Jesse Pinkman

Kann ein Mörder und Drogenkoch liebenswert sein? Die Antwort ist ja.

  • Walters Partner Jesse ist so etwas wie das Herz der Serie. Anfangs ist er ein gedankenloser Drogensüchtiger, doch wird schon bald klar, dass er in seiner kleinkriminellen Welt zwar mehr oder weniger zurechtkommt, doch nicht für die gewalttätige und kaltblütige Welt gemacht ist, in die Walter ihn immer tiefer hineinzieht.
  • Jesse hat zu dem Zeitpunk, als er auf Walter trifft, keine Bezugsperson, zu der er aufblicken kann - mit seinen Eltern hat er schon lange keinen wirklichen Kontakt mehr. Er ist gutgläubig, naiv und äußert manipulierbar - und Walter nutzt dies schamlos aus und lenkt Jesse in jede Richtung, die ihm, Walter, gerade passt. Jesse braucht eine Vaterfigur und füllt diese Lücke mit dem denkbar schlechtesten Ersatzvater, der in der Serie herumläuft. Er ist eine einsame Figur, die den Verlust von nahestehenden Personen - z. B. Combo, Jane, Mike - nur schwer verkraftet.
  • Die ganze Serie über greift Jesse immer wieder zu Drogen, um sich zu beruhigen, zu vergessen, Angst zu bekämpfen. Anfangs gehören Meth und Gras zu seinem normalen Leben dazu, doch rutscht er durch den Verlust seines Freundes Combo immer tiefer in den Drogenabgrund, greift dann sogar zu Heroin. Nach Janes Tod macht er einen Entzug und bleibt auch einige Zeit clean. Doch nach dem Tod von Thomas versucht er erneut, seine labile emotionale Lage durch Drogen zu beruhigen bzw. sich Mut einzuflößen, ehe er Thomas' Mörder stellt. Der Mord an Gale lässt ihn weiter abstürzen und zu Kokain und anderen Drogen greifen, doch überwindet er seine Sucht ein weiteres Mal. In der fünften Staffel rutscht er wieder ab, als er aus dem Meth-Geschäft aussteigt, und nimmt auch Drogen, ehe er Walters Haus mit Bezin übergießt.
  • Jesse ist von Natur aus sehr loyal. Durch viereinhalb Staffeln hindurch steht er Walter mehr oder weniger konstant treu zur Seite. Auch Gus und besonders Mike gegenüber entwickelt er Loyalität. Das geht so weit, dass er Gus, den er eigentlich umbringen soll bzw. will, instinktiv retten will, als dieser in den Kugelhagel läuft, ihm in Mexiko hilft etc. Er hätte hier die Gelegenheit gehabt, sich Gus' zu entledigen, doch denkt er nur daran, seinem Chef das Leben zu retten, statt es ihm zu nehmen. Seine Loyalität zu Walter wird erst zerstört, als er erfährt, dass dieser Brock vergiftet hat.
  • Er kann auch sehr fürsorglich sein. Nicht nur, dass er seine Tante gepflegt hat, als diese an Krebs erkrankte, er kümmert sich auch liebevoll um Jane, Andrea, Brock - und manchmal sogar um Walter. Man denke auch an die Beziehung, die er zu dem kleinen Jungen in der Haus der Junkies aufbaut. Anders als die meisten Figuren in Breaking Bad ist Jesse ein mitfühlender Mensch.
  • Dennoch ist Jesse keine unschuldige Figur, auch wenn der Zuschauer es oft so empfindet. Abgesehen von der Tatsache, dass er Crystal Meth produziert und damit wohl Hunderte auf dem Gewissen hat, erschießt er einen unschuldigen Mann, Gale, um seine und vor allem Walters Haut zu retten. Doch empfindet der Zuschauer in dieser Szene genauso viel Mitleid für Jesse wie für Gale, da Jesse von Walter derart unter Druck gesetzt wurde, dass er den Abzug drückt. Er leidet in der kompletten vierten Staffel unter seiner Tat und dürfte sie wohl nie wirklich überwunden haben.
  • Obwohl er zum Schwerkriminellen und Mörder wird, ist Jesse der moralische Rückhalt der Serie. Kommen Kinder oder andere Unschuldige zu Schaden, leidet er darunter. Die Last auf seinem Gewissen wird so immer schwerer. Teilweise macht er sich sogar mehr Gedanken als der Zuschauer - man denke an seine kurzfristigen Gewissensbisse, als er nach dem Tod von Gus erfährt, dass diesen keine Schuld an der Vergiftung Brocks traf.
  • Jesse wirkt oft ängstlich und unsicher. Dazu hat er leider auch jeden Grund, da Vince Gilligan es sich zum Ziel gemacht zu haben schien, Jesse über fünf Staffeln hinweg physisch, psychisch und emotional fertigzumachen. Doch beweist er auch Mut, als er sich zum Beispiel Gus in dessen Lagerhalle entgegenstellt, weil dessen Dealer Kinder für ihre Schmutzarbeit einspannen.

Weitere zentrale Figuren in Breaking Bad

Breaking Bad dreht sich nicht nur um Walter und Jesse, sondern besteht aus einem Zusammenspiel weiterer vielschichtiger Charaktere.

  • Walters Frau Skyler ist zu Anfang eine dominante Frau. Sie liebt ihren Mann, liebt es aber auch, die Kontrolle in der Familie auszuüben. Skyler ist anfangs sehr "rechtschaffen" - sie ist entsetzt, als sie herausfindet, dass Walter Marihuana geraucht hat. Als sie später von seinem Meth-Geschäft erfährt, ist sie zunächst so entsetzt, dass sie absolut nichts damit zu tun haben will. Doch dann lockt das Geld, vielleicht auch der Reiz des kriminellen Lebens - auf jeden Fall entscheidet sie sich dafür, mit Walter zusammenzuarbeiten und sein Geld zu waschen. Sie entwickelt dabei auch eigene Strategien und Rachegedanken - zum Beispiel gegenüber des Besitzers der Autowaschanlage. Sie ist jedoch auch in ihrer Funktion als Geldwäscherin extrem pedantisch. Während Walter einfach vor sich hin kocht und sich keine großen Gedanken um eine glaubwürdige Geschichte macht, entwirft Skyler ganze Dialoge im Vorfeld. Um sich zu schützen, ist Skyler später sogar bereit, drastische Schritte einzuleiten: So verlangt sie von Walter, Jesse umzubringen, nachdem dieser fast ihr Haus angezündet hätte. Dennoch hat sie Angst vor Walter und dessen Kaltblütigkeit.
  • Hank Schrader, Walters Schwager, erscheint anfangs als tumber, aber fähiger DEA-Macho. Er trägt eine Fassade der Lockerheit und des unerschütterlichen Selbstbewusstseins zur Schau. Bald jedoch zeigt sich, dass Hank unter Panikattacken leidet - ausgelöst durch die Kugel, mit der Hank Tuco Salamanca erschoss und verstärkt durch die Vorkommnisse in El Paso. Hank steht - und das ist eine Ausnahme in Breaking Bad - voll und ganz zu dem, was er tut - auch wenn er Fehler begeht. So ruft er für Jesse einen Krankenwagen, nachdem er ihn bewusstlos geschlagen hat, und steht zu seinem Angriff, akzeptiert die Suspendierung, ohne seine Geschichte beschönigen zu wollen. Bei seiner Suche nach Heisenberg geht er immer fanatischer vor. Die Sympathiepunkte, die Hank durch sein überlegteres Handeln in der fünften Staffel verbuchen kann, werden jedoch gemindert, als er wissentlich Jesses Tod in Kauf nimmt, solange er diesen auf Band aufzeichnen kann.
  • Hanks Frau Marie ist Kleptomanin, wirkt oft hysterisch und unentspannt. Doch ist sie immer für ihre Familie da und bereit, Opfer zu bringen. Sie liebt Hank sehr und ist auch den Whites gegenüber sehr loyal, wenn es drauf ankommt. Als sie von Walts Drogenkochkarriere erfährt, wird sie eine seiner hasserfülltesten Gegnerinnen.
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