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Unterschied zwischen Sinti und Roma

Der Begriff Zigeuner für Wandergruppen ist negativ assoziiert.
Der Begriff Zigeuner für Wandergruppen ist negativ assoziiert.
Heute werden sie deutschlandweit Sinti und Roma genannt: Die Rede ist von Zigeunervölkern östlicher Herkunft, die ohne festen Wohnsitz durch den Staat ziehen. Roma leitet sich von der Bezeichnung ihrer romanischen Sprache ab. Sinti wiederum wird oft mit dem nordindischen Gebiet Sindh assoziiert. Hintergrund dessen ist die Herkunftsgeschichte des Volkes. In jener liegt ebenso der Unterschied zwischen Sinti und Roma.

Geschichte des Romanes als Basis für Roma-Kulturgeschichte

Ein entstehungegeschichtlicher Überblick der Sprache hilft, den Unterschied zwischen Sinti und Roma zu verstehen. Vorab ist anzumerken, dass der Begriff Roma als Überbegriff für Sprecher des Romanes verstanden wird. Sinti dagegen sind eine spezielle Unterkultur des Roma-Volkes. 

  • Das Ursprungsgebiet des Romanes liegt im heutigen Pakistan. Einflüsse aus dem Arabischen, Griechischen, Türkischen und Indischen sind in der Sprache allerdings unverkennbar. Diese vielkulturellen Sprachelemente erklären sich über die Geschichte des Volkes.
  • Im 11. Jahrhundert befinden sich Sprecher des Romanes über die zwei Königreiche Gurjara und Rajput im Norden Indiens verteilt. Das Leben der Menschen ist von Arbeiterkasten strukturiert. Ein familiärer Clan übt je einen bestimmten Beruf aus. Die Sprecher des Romanes werden unter die Dombakaste gefasst. Heute bedeutet "dom" in ihrer Sprache "Mann", was von Forschern teilweise als Relikt dieser Frühzeit bewertet wird.
  • Zur Zeit von Alexander dem Großen und dessen Eroberungen, hinterlässt das Griechische als internationale Haupthandelssprache seine Einflüsse in ganz Europa. Um 1200 nimmt wiederum die islamische Welt Einfluss auf die Roma-Gebiete Indiens.  Der islamische Eroberer Mahmoud Ghazna verschleppt die Sprecher des Romanes als homogene Gruppe, was für das Volk in eine Zeit der Sklavendynastien resultiert. Einige Roma fliehen daraufhin nach Osteuropa. Einige andere bleiben stattdessen als Sklaven in der Region.
  • Nach Zusammenbruch der Herrschaft Ghaznas herrscht im besagten Gebiet Anarchie. Die verbliebenen Roma schließen sich dem islamisch nomadischen Kriegervolk der Seldschuken an und stehen damit gegen den damals gerade aufgeschwappten Dschingis Khan und seine berittenen Mongolentruppen. Das Roma-Volk tritt zu einem Großteil zum Islam über und gibt seine hindureligiösen Ursprünge auf, um erneuter Versklavung zu entgehen. Eine Minderheit der Roma verweigert allerdings den Übertritt und entflieht der Sklaverei kurz darauf in Richtung Westen - nach Südosteuropa.
  • Die Flucht vor der Sklaverei misslingt, da auch die entflohenen Roma als Sklaven unter den Kulturen der Balkanregion aufgeteilt werden. Abermals versucht ein Teil von ihnen der Versklavung zu entgehen und flieht nach Mitteleuropa.  Dort erhalten sie als Balkanflüchtlinge aber weder Arbeitserlaubnis, noch Niederlassungsrecht.
  • Fortan ziehen sie daher durchs Land und halten sich mit handwerklichen Arbeiten über Wasser. Ihre Nachfahren werden zu einer eigenen Bevölkerungsschicht mitteleuropäischer Staaten. Die Rede ist länderübergreifend von "inländischen Roma", die anders als "ausländische Roma" nicht abgeschoben werden können. In Frankreich werden sie als ethnische Minderheit der Manoush erfasst und in Polen nennt man sie Polske Roma. In Spanien heißen sie Kale und in Deutschland werden sie als Sinti bezeichnet.

Entstehungsgeschichtlich liegt der Unterschied zwischen Sinti und Roma  somit in der Konvertierungsfrage zum Islam, im Zeitpunkt der Flucht nach Mitteleuropa und der Aufenthaltsgeschichte im jeweiligen Staat. 

Begriffsgeschichte und Unterschied - Sinti als inländische Roma

Die negativ belegte Fremdbezeichnung „Zigeunervolk“ wird in Deutschland nach der Zeit nationalsozialistischer Verfolgungen durch die politisch korrektere Form und Selbstbezeichnung "Sinti und Roma" ersetzt.

  • Eine Bürgerrechtsbewegung der inländischen Roma setzt während der 80er Jahre die Einführung der neuen Bezeichnung durch. Es handelt sich bei dem Namen um einen rein politischen Begriff, der kulturell betrachtet inkorrekt ist und zu Verwirrungen führt. Die beiden Gruppen sind wie weiter oben beschrieben nämlich von kulturell und ethnisch verschiedener Herkunft.
  • Sintis sind inländische Romas mit einer entsprechend langen Bevölkerungsgeschichte in Deutschland, die auch dialektal ihre Spuren  hinterlassen hat. Der Unterschied liegt in der eigenen Identifikation eines Romas mit der Bevölkerungstradition und Kulturgeschichte.
  • Die Sintis heben sich durch diese Selbstbezeichnung als jenisches, das heißt wegen Verfolgungen traditionell heimatloses, Volk mit eigener aus der Masse der Roma heraus. Roma wird hierzulande zum Sammelbegriff für osteuropäische Romanes-Sprecher, die als Wandergruppen auftreten. Neben religiösen und dialektalen Besonderheiten gegenüber dem gut ein Dutzend anderen Roma weist auch die soziale Struktur der Sinti-Gemeinschaft Besonderheiten auf. 
  • Fassen lassen sich diese kulturellen Besonderheiten unter die Vorschrift der strikten Abgrenzung zur deutschen Landesbevölkerung. So verbietet die Sinti-Kultur beispielsweise staatlichen Unterricht. Ebenso unterliegen die Sprecher des Dialekts dem Verbot, Nicht-Romas über die Sprache aufzuklären. Dass außerdem strenge Reinheitsregeln die Kultur prägen,  erschwert auch flüchtigen Kontakt zu Menschen außerhalb der Gruppe.
  • Zur Zeit des Österreich-Ungarischen Reichs bemüht sich Kaiserin Katharina um eine Integration der inländischen und Abschiebung aller ausländischen Roma. Diese Bemühungen sind mit Gesetzen verbunden, die die sozialen und kulturellen Strukturen der Sinti bedrohen. Während des Nationalsozialismus erreichen Unterdrückung und Verfolgung des Volks einen vorläufigen Höhepunkt. 
  • Bis heute halten Roma in keinem Land einen Mehrheitsbevölkerungsanteil. In jedem europäischen Land sind sie allerdings eine eigene Minderheit. Laut Roma-Forschern wie Reinhold Lagrene gibt es kaum eine Minderheit, die historisch betrachtet stärkeren Verfolgungen ausgesetzt war.

Die korrekte Bezugnahme auf das Volk ist mit diesem Wissen gar nicht so einfach, oder? Ein zusammenfassender Überblick kann sie erleichtern.

Sinti oder Roma - wann ist welche Bezeichnung richtig?

Wenn Sie sich korrekt auf Zigeunergruppen beziehen wollen, beachten Sie die nachfolgenden Punkte.

  1. Meiden Sie die Fremdbezeichnung "Zigeuner", da der Begriff spätestens seit dem Nationalsozialismus negativ behaftet ist und als beleidigend verstanden wird.
  2. Verwenden Sie das politisch  korrekte "Roma", wenn Sie von einer Romanes sprechenden Gruppe unbekannter Herkunftgeschichte reden.
  3. Nicht Romanes-Sprachige Wandergruppen ohne "Heimat" werden in Europa als Jenische bezeichnet.
  4. Sobald Sie wissen, dass es sich bei einer Romanes sprachigen Gruppe nicht um eine Gruppe mit Traditionsgeschichte innerhalb Deutschlands handelt, darf ebenfalls "Roma" genutzt werden. Noch korrekter gehen Sie vor, wenn Sie Gruppen französischer "Manoush", Gruppen spanischer "Kale" und solche polnischer Traditionsgeschichte  "Polske Roma" nennen.
  5. "Sinti" nennen  Sie nur deutsch, niederländisch, schweizerisch oder österreichisch inländische Roma.
  6. Stellen Sie für eine ausnahmslos korrekte Benennung sicher, dass sich eine Roma-Gruppe über die eigene Bevölkerungsgeschichte im entsprechenden Land überhaupt identifiziert. Ist das nicht das Fall, dann ist die Bezeichnung "Roma" richtiger.

Vergessen Sie nicht: Die inländischen Roma der mitteleuropäischen Staaten haben einen langen, von Verfolgungen geprägten Weg hinter sich, bevor sie in den Einzelländern als ethnische Minderheiten anerkannt wurden. Ihre Bemühungen um die Benennung, um die die jeweiligen Romas lange gekämpft haben, ist daher eine angemessene Respektbekundung.

helpster.de Autor:in
Sima Moussavian
Sima MoussavianFür Sima liegt die Schule noch nicht weit zurück. Sie erinnert sich noch gut an die Inhalte. In ihrer Freizeit lernt Sima gerne neues und probiert sich dabei auch im Heimwerken.
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