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Gustav Freytag und seine Technik des Dramas - eine Erklärung

Historisch wichtiges Lehrbuch: Gustav Freytags Dramentheorie
Historisch wichtiges Lehrbuch: Gustav Freytags Dramentheorie
Gustav Freytag veröffentlichte seine "Technik des Dramas" 1863, als die geschlossene Form des Dramas bereits fast überholt war. Dennoch macht es sich der Romancier zur Aufgabe, die Form dieses traditionellen Dramas zu standardisieren. Neben zahlreichen Forderungen für Handlungsverlauf und Figurengestaltung behandelt seine Dramentheorie insbesondere den sogenannten pyramidalen Aufbau des Dramas. Lesen Sie hier, was es damit auf sich hat.

Gustav Freytags allgemeine Hinweise zum Drama

  • Grundlegend für die Dramenstruktur bei Gustav Freytag sind die Seelenbewegungen der Figuren, aus denen heraus sie agieren. Innerseelischer Vorgang und nach außen vollzogene Tat bedingen einander und konstituieren das Dramatische. Sie sind wechselseitig, insofern der innere Kampf einer Figur zur Tat führt und umgekehrt die Tat und deren Folgen auf ihr Gemüt wirkt: "Ausströmen und Einströmen der Willenskraft, das Werden einer Tat und ihre Reflexe auf die Seele".
  • Die dramatischen Mittel, um diese Wechselbeziehung  zwischen Innen und Außen abzubilden, sind Rede, Ton und Gebärde sowie Bewegung und Handlung. Von ihnen hängt die dramatische Wirkung ab.
  • Des Weiteren fordert der Romancier die Einheit von Ort, Zeit und Begebenheit mittels Motivation, das ist die Schlüssigkeit der Handlung. Das Folgende einer Handlung muss logisch und wahrscheinlich aus dem Vorhergehenden ableitbar sein, um den inneren Zusammenhang des Dramas zu gewährleisten.
  • Den Mittelpunkt der "Technik des Dramas" bildet jedoch der von Gustav Freytag entworfene pyramidale Aufbau des Dramas, der sich an der klassischen Dramenstruktur und der Dramentheorie Aristoteles orientiert.  

Der pyramidale Aufbau des Dramas

  • Der Grundbau des Dramas besteht aus Einleitung (a), Höhepunkt (c) und Katastrophe (e), dargestellt als Pyramide. Die Seelenbewegungen und das Werden einer Tat verlaufen demnach aufwärts von (a) nach (c), ihre Folgen und Wirkungen auf das Gemüt des Helden abwärts von (c) nach (e).
  • Zwischen diesen drei Punkten liegen weitere Marker für die Entwicklung der Figuren und die Erzeugung von Spannung in der Handlung: das erregende Moment (a1), die Steigerung (b), das tragische Moment (c1), Umkehr oder fallende Handlung (d) und das Moment der letzten Spannung (d1). Das tragische Moment und das Moment der letzten Spannung werden oftmals jedoch weggelassen.
  • Damit entspricht das pyramidale Schema mit seinen fünf Bestandteilen den fünf Akten des traditionellen Dramas. Das sind im ersten Akt Einleitung und erregendes Moment, im zweiten Akt Steigerung der Handlung, im dritten Akt Höhepunkt, im vierten Akt fallende Handlung und im fünften Akt Katastrophe. In Drei- oder Einaktern reduziert sich das Schema auf Einleitung, Höhepunkt und Katastrophe.  

Inhalt der fünf Bestandteile bei Gustav Freytag

  • In der Einleitung (a) werden Personen, Ort, Zeit, Lebensverhältnisse und die Vorgeschichte der Handlung charakterisiert. Mit dem erregenden Moment (a1) beginnt erst die Handlung - es ist sozusagen der Anpfiff, zum Beispiel, indem der Held den Entschluss zu einer Tat fasst oder sein Gegenspieler Intrigen schmiedet. In der Steigerung (b) greift diese Motivation in "Stimmung, Leidenschaft, Verwicklung" aus auf eine Hauptszene.
  • Der Höhepunkt (c) ist der Mittelpunkt des Stückes und die Spitze der bisherigen, sich steigernden Handlung. "Alle dramatische Kraft wird der Dichter anzuwenden haben, um diesen Mittelpunkt […] lebendig herauszuheben", wie Gustav Freytag schreibt. Im Kontrast dazu steht das tragische Moment (c1), das oft mit dem Höhepunkt verbunden ist.
  • Es leitet die fallende Handlung (d) ein, in der neue Spannung erregt wird und die Tat des Helden auf ihn zurückwirkt. Das Moment der letzten Spannung (d1) macht deutlich klar, dass der Held scheitert, und bereitet somit den Schluss vor. Das Drama endet in der Katastrophe (e), das ist die "Vernichtung des Helden" und "die vollständige Verwüstung des Lebens".
Pyramidales Handlungsschema in "Technik des Dramas"
Pyramidales Handlungsschema in "Technik des Dramas" © Dana Kaule
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