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Der Rabe und der Fuchs - Moral der Fabel

"Der Rabe und der Fuchs" ist eine berühmte Fabel von Gotthold Ephraim Lessing.
"Der Rabe und der Fuchs" ist eine berühmte Fabel von Gotthold Ephraim Lessing.
So alt die meisten Fabeln auch sind, so aktuell ist ihre Moral oft heute noch. "Der Rabe und der Fuchs" gehört zu den berühmtesten Beispielen. Gotthold Ephraim Lessing beschreibt in ihr, in welcher Weise Schmeichelei und Heuchelei bestraft werden.

"Der Rabe und der Fuchs" - Wissenswertes zur Fabel

  • Die Fabel von Fuchs und Rabe existiert in zwei verschiedenen Varianten. Die Ältere stammt von dem berühmten Fabeldichter Äsop, der um 600 vor Christus lebte. Um beide Fabeln voneinander unterscheiden zu können, heißt seine Version "Vom Fuchs und Raben".
  • In Äsops Fabel hat der Rabe einen Käse gestohlen und fliegt auf einen Baum, um ihn zu fressen. Da sieht ihn der Fuchs, der den Käse auch haben möchte. Er beginnt, dem Raben lauter Schmeicheleien zu erzählen, indem er vorgibt, sein Gesangstalent zu bewundern. Der einfältige Rabe fühlt sich geehrt und singt dem Fuchs zum Dank etwas vor. Als er den Schnabel öffnet, fällt der Käse heraus, der Fuchs fängt ihn auf und frisst ihn.
  • Lessings modernere Fabel "Der Rabe und der Fuchs" stammt aus dem 18. Jahrhundert. Sie stimmt in mehreren Punkten mit Äsops Version überein. Hier jedoch hat der Rabe ein Stück vergiftetes Fleisch gestohlen, das ursprünglich für ein paar streunende Katzen bestimmt war.
  • Bei Lessing gibt der Fuchs vor, den Raben für einen Adler zu halten. Er schmeichelt ihm und bezeichnet ihn als König der Lüfte, was dem Raben sehr gefällt. Gleichzeitig spielt er aber auch auf sein vermeintlich wohltätiges Verhalten an. Als "rechte Hand des Zeus" sei es gewiss seine Absicht gewesen, die Armen zu speisen. Der Rabe wagt nicht, den Irrtum aufzuklären, lässt das Fleisch fallen und fliegt davon. Der Fuchs lacht über seinen Triumph, frisst das Fleisch und stirbt an dem Gift. Im Gegensatz zu Äsops Version wird er bei Lessing demnach sofort für sein Verhalten bestraft.

Die Moral von Lessings Fabel

  • Wie in allen Fabeln kritisiert der Autor auch hier in metaphorischer Weise menschliche Verhaltensweisen. Der Rabe präsentiert sich als so einfältig, dass er die niederen Absichten des Fuchses nicht durchschaut. Gleichzeitig entlarvt ihn Lessing als eitel und feige: Er verzichtet lieber auf seine Beute, als zuzugeben, dass er nicht der "König der Lüfte" ist.
  • Schwerwiegender als die Dummheit des Raben ist in der Fabel die Heuchelei des Fuchses. Nur durch Schmeichelei und List, versucht er seine Ziele zu erreichen.
  • Das Ende der Fabel zeigt deutlich, wie Lessing das Verhalten des Fuchses bewertet. Der Rabe ist zwar dumm und verliert seine Beute, kommt aber mit dem Leben davon. Der Fuchs dagegen hat nur scheinbar über den Raben triumphiert. Die Früchte seines vermeintlichen Erfolgs stellen sich als giftig heraus und er stirbt daran.
  • Obwohl die Moral der Fabel auch ohne Worte unmissverständlich ist, beendet Lessing sie mit dem Satz: "Möchtet ihr euch nie etwas anders als Gift erloben, verdammte Schmeichler!" Im übertragenen Sinn ist folgende Interpretation denkbar: Ein Erfolg, den man sich nicht erarbeitet, sondern durch List erschwindelt hat, entpuppt sich im Nachhinein als Misserfolg oder Unglück.

Lessings Fabel als Paradebeispiel für die Aufklärung

  • Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Aufklärung. Seine Fabel "Der Rabe und der Fuchs" veranschaulicht die für die Aufklärung typischen Werte und Ideale. Schlagworte für diese Epoche waren die Begriffe Tugend, Vernunft, Toleranz und Moral.
  • Es ist bezeichnend, dass Lessing die ursprüngliche Moral der Fabel gravierend verändert. Äsop stellt den Fuchs zwar ebenso als Schmeichler dar. In seiner Fabel aber ist der Rabe der Leidtragende, da er den Käse verliert, während der Fuchs den Sieg davonträgt. Die Interpretation, dass Heuchelei und Hinterlist am Ende belohnt werden, verkehrt Lessing ins Gegenteil. In seiner Geschichte treibt das schmeichlerische Verhalten den Fuchs letztlich in den Tod.
  • Aus Lessings Moral spricht eine Kritik an der ursprünglichen Fabel. Lessing genügt es nicht, schlechte Angewohnheiten des Menschen aufzuzeigen, er bewertet sie. Wer sich der Schmeichelei und Unehrlichkeit bedient, wird letztendlich für sein Verhalten bestraft.
  • Auch das Verhalten des Raben ist eine ausführliche Diskussion wert. Nicht grundlos gehört die Fabel zu einem beliebten Gegenstand in Literatur und Germanistik. Einerseits erscheint der Rabe eitel und feige zu sein. Dennoch ist es seine freie Entscheidung, auf seine Beute zu verzichten. In diesem Sinne geht er zwar leer aus, doch nicht, weil er auf die Worte des Fuchses hereingefallen ist. Insofern lässt diese Version der Fabel den Raben in einem völlig anderen, positiveren Licht erscheinen - wenn auch erst auf den zweiten Blick.

 

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