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Am Walde von Eduard Mörike - Interpretation

"Am Waldsaum kann ich lange Nachmittage ..."
"Am Waldsaum kann ich lange Nachmittage ..."
Die Interpretation von Eduard Mörikes Gedicht "Am Walde" ist in engem Zusammenhang mit Mörikes Selbstverständnis als Dichter zu sehen.

Eduard Mörike (1804 bis 1875) hatte Theologie studiert und trat eine Stelle als evangelischer Pfarrer an, wurde aber schon mit knapp 40 Jahren pensioniert. Fortan widmete er sich ausschließlich seiner Dichtkunst. Mörike sah sich - wie Mozart, mit dem er sich in seiner Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“ identifizierte - als künstlerisches Genie, das im bürgerlichen Leben nicht zurechtkommt und sein Leben genießt, jedoch einen frühen Tod finden wird. Diese Einstellung ist auch für die Interpretation von "Am Walde" grundlegend.

Interpretation von "Am Walde"

In seinem Sonett "Am Walde" schildert Eduard Mörike sich als Außenseiter der Gesellschaft, der eins ist mit der Natur und im Idyll am Waldesrand seine künstlerische Identität auslebt. Ein wichtiges Motiv für die Interpretation ist auch das Bild der Ferne, mit dem Mörike sein Sonett beschließt.

  • Die erste Strophe zeigt das idyllische Bild am Waldrand voller Harmonie und Muße. Schlüsselwörter sind hier zum Beispiel "Gleichklang", "einzuwiegen" oder "friedevoll".
  • Die zweite Strophe entwirft das Gegenbild, vor dem der Dichter sich offenbar geflüchtet hat: Die Formulierungen "schlimmste Plage" und "Fratzen der Gesellschaft" markieren das sehr drastisch.
  • Die beiden letzten Strophen stellen die lyrische Tätigkeit des Dichters dar: Des "Sonetts gedrängte Kränze" "flechten sich wie von selber" unter den Händen des "Poeten".
  • "Indes die Augen in der Ferne weiden: Im Unterschied zu den "feinen Leuten", die ihm Zeitverschwendung unterstellen, ist er in der Lage, nach vorn zu schauen, in die Ferne zu blicken - etwas, das Mörike der Gesellschaft offenbar nicht zutraut, denn er vermutet ja, dass sie ihn "zuletzt noch gar beneiden". Die Ferne kann hier auch als Bild für den Tod verstanden werden.

Zwar wird Eduard Mörike häufig als Hauptvertreter der Literatur des Biedermeier angeführt, gerade in dem Sonett "Am Walde" erweist er sich jedoch als stark von der Romantik beeinflusst. Das Motiv der Todessehnsucht, die in dem Blick in die Ferne - in der wichtigen letzten Zeile des Sonetts - zum Ausdruck kommen mag, und die Weltflucht, die in dem Gedicht so ausführlich und idealisierend beschrieben wird, sind deutliche Hinweise darauf.

Eduard Mörikes "Am Walde" - ein Sonett

Eduard Mörike weist ja selbst im Gedicht darauf hin: Es handelt sich bei "Am Walde" um ein Sonett. Diese anspruchsvolle lyrische Form (die sich unter seinen Händen wie von selbst herstellt, wie er wohl nicht ohne Stolz anmerkt) besteht aus zwei Quartetten (die beiden ersten, vierzeiligen Strophen) und zwei Terzetten (die beiden Dreizeiler), die sich nach italienischem Vorbild nach dem Schema abba, abba, cde, cde reimen. Die beiden Quartette stellen inhaltlich These und Antithese einander gegenüber, die beiden Terzette vertiefen die Thematik.

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