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Die erste Klavierstunde - didaktische Anregungen

Das Klavier ist mehr als ein Instrument, es ist auch ein Abenteuerspielplatz.
Das Klavier ist mehr als ein Instrument, es ist auch ein Abenteuerspielplatz.
Der erste Eindruck zählt - das gilt auch für die erste Klavierstunde. Hier lernt das Kind nicht nur das Instrument, sondern auch den Lehrer kennen. Was können Sie als Lehrer tun, damit schon die erste Stunde ein Erfolg wird und das Kind sich auf den nächsten Unterricht freut? Machen Sie sich den Spiel- und Entdeckungsdrang des Kindes zunutze, indem Sie nicht nur Anweisungen geben, sondern ihm auch ermöglichen, den Unterricht selbst mitzugestalten.

Probieren geht über Studieren - auch in der Klavierstunde

Kinder lieben es, neue Dinge auszuprobieren und zu experimentieren. Eine erste Klavierstunde ist hervorragend geeignet, das Instrument auf diese Weise zu erkunden.

  • Nachdem Sie einander begrüßt haben, gehen Sie sofort zum Klavier und lassen Sie das Kind auf Entdeckungsreise gehen. Natürlich ist es am schönsten, wenn ein Flügel vorhanden ist - zu sehen, wie der Deckel dieses riesigen Instruments aufgeklappt wird, und in sein Inneres hineinblicken zu können, ist schon ein Erlebnis.
  • Wenn das Kind nicht selbst auf das Instrument losstürmt und die Saiten oder Tasten ausprobiert, steuern Sie die Entdeckungsreise ein wenig. Lassen Sie es beschreiben, was es im Innenraum des Flügels sieht - diese Frage können Sie natürlich auch stellen, wenn nur ein Klavier vorhanden ist, auch wenn man im Inneren des Klaviers nicht so gut hantieren kann.
  • Wenn das Kind die Saiten entdeckt hat, ist es eine Möglichkeit, zu erklären, was passiert, wenn eine Taste angeschlagen wird. Spielerischer und kindgerechter ist es jedoch, wenn Sie die komplizierten Vorgänge der Klaviermechanik auf mehrere Schritte verteilen und das Kind selbst herausfinden lassen, was passiert.
  • Sagen Sie zum Beispiel:"Ich schlage eine Taste an - beobachte einmal ganz genau, was sich im Innenraum tut!" Hat das Kind gut aufgepasst, sieht es das Hämmerchen von unten die Saite anschlagen. Dieser Vorgang lässt sich noch besser bei folgender Spielanweisung nachvollziehen:"Wenn ich nun die Taste anschlage, lege du deinen Finger ganz leicht auf die Saite (welche du nehmen musst, zeige ich dir) - was passiert?" Auf diese Weise kann das Kind die Schwingungen der Saite im eigenen Finger spüren, was meist zu großer Erheiterung führt. Sollte es zu stark gedrückt haben, ist es auch nicht schlimm, denn in diesem Fall erkennt es, dass ein Ton nur dann entstehen kann, wenn die Saite nicht festgehalten wird, sondern frei schwingen kann.
  • Fragen Sie das Kind, ob ihm an den Saiten etwas auffällt. Viele Kinder sehen sofort, dass die oberen Saiten viel kürzer sind als die unteren. Falls Ihr Schüler nicht sofort darauf kommt, lassen Sie ihn verschiedene Saiten anzupfen und fragen Sie, ob sich der Klang verändert. Er wird in der Regel schnell entdecken, dass die längeren Saiten tiefere Klänge ergeben, spätestens wenn Sie die Tasten zu Hilfe nehmen.
  • Viele Kinder sehen sofort, dass unten am Klavier zwei (oder manchmal auch drei) Pedale vorhanden sind. Auch wenn dies nicht schon in der ersten Unterrichtsstunde passieren muss, zügeln Sie auf keinen Fall die Neugier Ihres Schülers, sondern lassen Sie ihn entdecken, was das rechte Pedal tut. Die klangliche Wirkung ist enorm, egal ob Sie Tasten spielen oder Saiten anzupfen. Der mechanische Vorgang, dass sich bei der Pedalnutzung alle Dämpfer von den Saiten heben, ist hierbei weniger wichtig als das Wissen und Erleben, wie sich der Klang verändert.

Eine Klanggeschichte am Klavier

  • Die ersten Erkenntnisse der Klaviermechanik - unabhängig davon, ob das Kind die Begriffe behalten hat oder nicht - lassen sich wunderbar anhand einer Klanggeschichte vertiefen. Ziel ist es hierbei, zu versuchen, außermusikalische, alltägliche Geräusche am Klavier darzustellen. Sehr beliebt sind Tierstimmen, für den Innenraum ist aber das Wetter noch besser geeignet.
  • Vereinbaren Sie mit dem Kind zunächst die einzelnen Klangbausteine. Beim Experimentieren wird es schnell entdecken, dass ein Donner am besten mit den tiefen Saiten ausgedrückt wird, zum Beispiel durch wiederholtes Anschlagen der Saiten mit dem Handteller, während Sie das rechte Pedal treten. Sonnenstrahlen oder Sterne sind zwar an sich geräuschlos, doch ein Kind wird sie eher mit den hohen Saiten assoziieren und kann sich hier selbst ein kleines Motiv ausdenken. Blinkende Sterne könnte man mit kurz angezupften hohen Saiten ausdrücken. Das Prasseln des Regens in unterschiedlichen Stärken lässt sich dagegen gut an den Tasten darstellen, am besten mit den beiden Zeigefingern.
  • Geben Sie dem Kind bei der Vereinbarung der Klänge soviel Spielraum wie möglich und korrigieren Sie nur, wenn der Spielvorgang überhaupt nicht zum gewünschten Klangresultat passt, wenn zum Beispiel Donner auf den oberen Saiten gespielt wird. Nachdem alle Klangbausteine besprochen wurden, beginnen Sie damit, eine kleine Geschichte zu erzählen. Die Hauptfigur kann ein Kind sein, das auf seinem Schulweg von einem Gewitter überrascht wird. Aufgabe für Ihren Schüler ist es, zu erkennen, an welcher Stelle welches Geräusch gut passt. Es muss die Klänge richtig zuordnen und auch den Zeitpunkt richtig einschätzen. Hier sollte es Ihnen allerdings nicht auf allzu große Präzision ankommen, besonders wenn der Schüler noch sehr klein ist.

Die wunderbare Welt der Tasten

  • Nicht nur der Innenraum, sondern auch die Tasten sind eine Entdeckungsreise wert. Lassen Sie das Kind mit beiden Armen erfühlen, wie lang die Tastatur ist - für viele Kinder ist es schon ein Erfolgserlebnis, wenn Sie die obersten und untersten Tasten gleichzeitig beim Ausstrecken erreichen.
  • Fragen Sie das Kind, wie die Tasten aussehen und ob es etwas Besonderes an ihnen gibt. Die meisten Kinder sehen schnell, dass die schwarzen Tasten abwechselnd in Zweier- und Dreiergruppen verlaufen. Lassen Sie das Kind daraufhin alle Zwillings- bzw. Drillingstasten anschlagen, entweder gleichzeitig oder nacheinander.
  • Es gibt unzählige Spiele, die allein auf den schwarzen Tasten möglich sind. Ein beliebtes Spiel, das die Hörfähigkeit des Schülers trainiert, besteht darin, kleine Muster zu erkennen und nachzuspielen, die der Lehrer vorspielt. Ein Muster sieht zum Beispiel so aus: Sie schlagen alle Drillingstasten nacheinander von unten an und danach eine Zwillingstastengruppe gleichzeitig. Dies wiederholen Sie mit sämtlichen anderen Drillings- und Zwillingstasten über die ganze Tastatur hinweg. Beginnen Sie am besten mit den unteren Tasten. Sobald das Kind erraten hat, welches Muster Sie gespielt haben, sagt es Stop und versucht, das gleiche Muster nachzuspielen, ebenfalls über die ganze Tastatur hinweg. Tauschen Sie anschließend die Rollen und lassen Sie das Kind ein eigenes Muster vorspielen. In diese Übung können Sie nicht nur das simultane und sukzessive Anschlagen der Tasten einbauen, sondern auch verschiedene Tonlängen und Artikulationen. Solche Unterscheidungen lassen sich auch gut als zusätzliche Schwierigkeiten einbauen, wenn die erste Übung dem Kind allzu leicht von der Hand geht.
  • Verbinden Sie nun Rhythmus und Melodie mit einem Kennenlernspiel. Diese Übung eignet sich besonders gut, wenn es sich um Gruppenunterricht handelt mit zwei oder mehr Schülern. Jeder Schüler stellt sich vor, nach dem Schema "Ich bin die Sonja!" und spielt gleichzeitig einen entsprechenden Rhythmus auf beliebigen Tasten des Klaviers (möglichst natürlich Nachbartasten, die eine Melodie ergeben). In diesem Fall könnte der Rhythmus aus einer Viertelnote, zwei Achteln und zwei Vierteln bestehen, aber auch aus gleichmäßig langen Tönen. In diesem Spiel geht es nicht um die genaue Unterscheidung oder gar Benennung von Notenwerten, sondern lediglich um die deutliche Unterscheidung von kurzen und längeren Noten. In Verbindung mit Sprache lässt sich diese Aufgabe leicht umsetzen. Abgesehen davon ist es für die meisten Kinder ein großes Vergnügen, sich auf diese Weise musikalisch unterhalten zu können.
  • Falls ein Kind die Aufgabe nicht sofort begreift, fügen Sie als Zwischenschritt eine Klatschrunde ein. Hierbei genügt es, den Satz zu sprechen und im Rhythmus dazu zu klatschen, genau so, wie man auch spricht. Im Anschluss daran ist die Übertragung auf die Tasten oft leichter.

Sämtliche hier dargestellten Spiele und Übungen sind kaum in einer einzigen Unterrichtsstunde umsetzbar. Überlegen Sie immer aus der Situation heraus, welche Übung sich gerade am besten anbietet. Orientieren Sie sich dabei an den Wünschen und Fähigkeiten des Kindes. Ratsam ist es in jedem Fall, sich für die ersten Stunden einen Vorrat an Spielen zurechtzulegen, auf den Sie bei Bedarf jederzeit zurückgreifen können.

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