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Beamtendeutsch - so lustig kann die deutsche Sprache sein

Beamtendeutsch ist nicht immer leicht zu verstehen.
Beamtendeutsch ist nicht immer leicht zu verstehen.
Das Ärzte sich oft der lateinischen Sprache bedienen, beruht sicher auf der Tatsache, dass Überlieferungen alter Weisheiten in lateinischer Sprache verfasst worden sind - oder sollten Ärzte eher denken: "Caute patiens audire” (Vorsicht, Patient hört mit)? Vielleicht spielen beide Faktoren eine Rolle, denn immerhin dient Sprache der Kommunikation. Eine Sprache, die nur von einem Teil der Bevölkerung verstanden wird, verschafft den jeweiligen Sprechern einen besonderen Status, Verzeihung: “einen besonderen Zustand in der gesellschaftlichen Stellung”, wie der Beamte sagen würde. Ein Beamter nutzt kein Latein, sondern klare, deutliche Worte. Aber wieso wirkt das Beamtendeutsch oft so lustig?

Beamtendeutsch ist nicht immer leicht verständlich!

  • So mancher Zeitgenosse gerät in Spannung, wenn er für Behörden oder Gerichte ein Formular ausfüllen muss oder von selbigen ein Schreiben erhält. Zum Teil mag dies daran liegen, dass es grundsätzlich um wichtige Details geht, die zu klären sind. Zum Teil aber liegt es an den unmissverständlichen, klaren, deutlichen Satzformulierungen, die trotzdem vielfach kaum zu verstehen sind.
  • Dabei ist das Beamtendeutsch sehr genau, bedeutungsorientiert, detailliert und ohne Fremdworte formuliert, sodass es verwunderlich ist, warum Sätze, wie nachfolgend, Schwierigkeiten bereiten können: “Eine bedarfsgesteuerte Wechsellichtanzeigenanlage darf weder von einem raumübergreifenden, großen Grün noch von einem üppig gedeihenden, ungestümen Pflanzenwuchs dem Auge entzogen werden.”
  • Gut, mag ja sein, dass sich der Satz etwas lustig anhört - aber er ist doch gut zu verstehen - oder etwa nicht? Immerhin beschreibt er ganz deutlich, dass eine Ampel nicht von Bäumen und hochschießendem Unkraut verdeckt werden darf. Ist doch ganz klar. Eine Ampel ist schließlich eine bedarfsgesteuerte Wechsellichtanzeigenanlage und ein Baum ist nun mal ein raumübergreifendes großes Grün. 
  • Solche lustig klingenden Übersetzungen finden Sie übrigens in dem “Übersetzungshelfer” des Bremer Journalisten Hinrich Lührssen. Das Beamtendeutsch zeigt einfach sehr plastisch auf, wie interessant und vielseitig die deutsche Sprache ist. Warum sollte dieses umfangreiche Sprachgut so einfach verkümmern? Es ist doch viel interessanter, die Dinge in beschreibender Form zu benennen, als nur mit einem allgemein verständlichen Begriff zu belegen.

Lustig und ohne Fremdworte, das ist Beamtendeutsch

  • Deutsche Beamte sind dem deutschen Staat verpflichtet. Insofern setzt sich das Beamtendeutsch  tatsächlich nur aus deutschen Worten zusammen, um eindeutiges Verstehen zu sichern. Das ist in jedem Fall ein großer Vorteil.
  • Im Zuge weltweit, allgemein genutzter Latein- und Englischausdrücke, wie z. B. Biologie, Sensoren usw., kann es allerdings geschehen, dass der eine oder andere Beamte aus einem “Lebendfühler” einen “Biosensor” macht, was nichts anderes ist, als ein Spürhund. Das könnte die Sache etwas komplizieren, lässt sich jedoch mit etwas logischem Denken verständlich umsetzen. Aber in der Regel wird im Beamtendeutsch deutsch gesprochen.
  • Es macht einfach Spaß, im Beamtendeutsch zu formulieren, wenn Sie nicht gerade eine unrechtmäßige Besitzumstellung (Diebstahl) beim Amt für Recht und Ordnung (Polizei) melden müssen. Netter ist es da, in der Pause, mit Kollegen nicht nur einfach einen “Kaffee” zu trinken, sondern ein “koffeinhaltiges Bohnenheißgetränk”.
  • Selbst im privaten Bereich kann das Beamtendeutsch wunderbar angewandt werden. Es klingt vielleicht lustig - aber den “abgedroschenen” Satz: “Ich liebe Dich” könnten Sie viel klarer formulieren: "In meinem seelisch-geistigen Gefüge offenbaren sich aufsteigende, vorteilhafte Anziehungswirkungen für die anwesende Eigenartgestalt Deiner Person." Klinkt das nicht bezaubernd?
  • Natürlich dürften Sie auch sagen:”In meiner psychisch-seelischen Konstitution dokumentieren sich dominante Positiveffekte für die existierende Charaktergestalt Deiner Person” - aber dann ist es ein abweichendes Beamtendeutsch, gemischt mit Fremdworten. Das Beamtendeutsch möchte aber verstanden werden und nutzt daher in der Regel nur deutsche Worte.
  • Wenn Sie dann, nach Ihrer erfolgreichen Liebeserklärung zum Standesamt gehen möchten, um ein Stammbuch für Ihre Hochzeit zu erwerben, fragen Sie nach einer “Lebensberechtigungsbescheinigung”. Dann werden Sie bestimmt das richtige Formular zur Antragsstellung auf eine Lebensberechtigungsbescheinigung erhalten.
  • Sollten Sie dann das Formular zur Antragsstellung ausfüllen, wird Ihnen sicherlich bescheinigt, dass Sie die Angaben zu Ihrer Person nur freiwillig erteilen müssen. Allerdings wird Ihnen beigefügt ebenfalls mitgeteilt werden, dass der Antrag ohne Angaben zu Ihrer Person nicht bearbeitet werden kann...O.K. im Kurztext heißt das: "Wenn Sie möchten, dass Ihr Antrag bearbeitet wird, müssen Sie persönliche Angaben machen".
  • Zweckmäßig ist, dass Sie Ihren Antrag mit einem Tintenpasten-Kugel-Schreibgerät (Kugelschreiber) ausfüllen, anstatt mit einem schwermetallgefüllten Holz (Bleistift). Geben Sie am besten auch Ihre Rufsignalübertragungskennziffer für Langstreckenkommunikationsgeräte (Telefonnummer) an, damit sich offene Fragen schneller klären lassen.
  • Beamtendeutsch ist nicht einfach nur “lustig” - Beamtendeutsch ist sehr lehrreich, denn immerhin erläutern die beschreibenden Worte ein Detail wesentlich genauer, als nur ein Begriff. Den Begriff “Brieftaube” muss man kennen, während man bei einem “lebenden, selbstbeschleunigenden Kleinflugkörper mit programmierbarer Rückkehrfertigkeit” genau weiß, was Brieftauben alles können.

Ist es nicht schön, dass die deutsche Sprache über so viele Worte verfügt?

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