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Quellenkritik schreiben - so geht's

Jede Quelle verdient Kritik, um die Erkenntnis zu fördern - auch die Gefallenenrede des Perikles
Jede Quelle verdient Kritik, um die Erkenntnis zu fördern - auch die Gefallenenrede des Perikles
Ein Großteil des sozialen Lebens beruht auf Konstruktionen. Die Gefallenenrede des Perikles oder das Tagebuch der Anna Wimschneider geben aus einem bestimmten Blickwinkel Zeugnis von historischen Ereignissen, aber sie erfassen niemals die Totalität der Ereignisse. Daher ist die Methode der Quellenkritik erforderlich: Indem die Authentizität und die Aussagekraft der Quelle diskutiert werden, lässt sich ermitteln, wie vielversprechend sich die erhebbaren Informationen in einen interessegeleiteten Recherchekontext integrieren lassen.

Was Sie benötigen:

  • Quelle
  • Fragestellung
  • Hintergrundwissen (vgl. hermeneutischen Zirkel)
  • „Selbstdenken“ (Verstand)
  • Ggf. Hilfsmittel wie Wörterbuch, Lexikon, Sekundärquellen etc.

Interesse und Quelle

  • Eine Quellenkritik ist niemals Selbstzweck – sie fördert vielmehr das kritische Denken und ist ein wichtiges Hilfsmittel beim wissenschaftlichen Arbeiten in zahlreichen Disziplinen. Wichtig sind für ein forschungspragmatisches Vorgehen lediglich einige wenige methodisch-systematische Grundlagen.
  • Am Anfang der Arbeit mit einer Quelle steht das Erkenntnisinteresse. Sie haben im Regelfall  schon eine Idee, vielleicht sogar eine ausformulierte Fragestellung, entwickelt, wenn Sie eine Quelle zur Hand nehmen, um ihre Brauchbarkeit zu überprüfen.
  • Beispiel: Dieselben Memoiren eines deutschen Bundeskanzlers werden Sie mit einer ökonomischen Fragestellung zu der Internationalen Währungspolitik unter komplett anderen Gesichtspunkten lesen als ein Politikwissenschaftler, der sich für die deutsch-französischen Beziehungen interessiert oder ein Historiker, der die politische Kommunikation zwischen Medien und Politik untersuchen möchte.  

Die Quelle verstehen – eine Frage des Handwerks

  • Bevor Sie eine Quelle in wissenschaftlichen Kategorien inhaltlich untersuchen können, müssen Sie zunächst den Inhalt so, wie er sich Ihnen präsentiert, verstehen. An dieser Stelle geschieht bereits die erste Einordnung in den Gesamtkontext: Werden unbekannte Namen oder Fremdworte genannt? Hier mag es sinnvoll sein, erstmals Sekundärliteratur hinzuzuziehen.
  • Übrigens: Ein wichtiger Bestandteil der Sekundärliteratur, an den Sie frühzeitig denken sollten, sind methodische Einführungen, die auf dem deutschsprachigen Buchmarkt in breiter Vielfalt für die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen vorliegen.
  • Anschließend kommt es auf das, was die Wissenschaft oft die äußere Quellenkritik nennt, an: Sie sollten einschätzen, wie valide die zugrunde liegende Quelle ist, das heißt, ob sie authentisch ist und auf welche weiteren Quellen sie sich stützt. Daraus lässt sich ableiten, ob Sie unter wissenschaftlichen und forschungsökonomischen Gesichtspunkten mit dieser Quelle für Ihre Fragestellung weiter arbeiten können.
  • Wenn Sie sich für eine Quelle entschieden haben, kommt es auf die Inhaltsebene an: Abgesehen von gattungstheoretischen und historischen Einordnungen sollten Sie nun insbesondere den Zweck der Quelle (z.B. Reflexion im Tagebuch, Überzeugung in der Rede, möglichst objektive Dokumentation in der Akte) im Gesamtkontext reflektieren.
  • Achtung: Die Quellenkritik bedarf – insbesondere, je komplexer Ihr Forschungsvorhaben ist – eine gesunde Portion genealogischer Neugier, da Sie hierbei wie ein Archäologe oder Profiler zahlreiche Quellen untereinander vernetzt betrachten müssen und so einen umfassenden Kontext an Primär- und Sekundärquellen verwenden werden (Professoren sprechen an diesem Punkt gerne vom „hermeneutischen Zirkel“). Dies ist nicht unbedingt einfach, kann aber mit der richtigen Fragestellung auch sehr viel Freude machen.
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Aus der Quelle entspringt ein Fluss

  • Die Quellenarbeit in einer Klausur ist meist noch eine quantitativ überschaubare Tätigkeit: Wenn Sie von einem bestimmten Aufsatz ausgehend mit einer originellen Fragestellung eine Bachelor- oder Masterarbeit planen, kann schnell ein zwanzig seitiges Quellenverzeichnis zusammen kommen, dass eine standardisierte Quellenkritik erfordert. 
  • Erfahrungsgemäß können Sie die äußere Quellenkritik mit Reduktionsmechanismen (Seriosität der Publikation, Referenzen auf diese Quelle etc.) abkürzen, um sich stärker auf die inhaltliche Kritik zu konzentrieren. Ratsam ist aber auf jeden Fall, den Kerninhalt der Quelle zusammenzufassen – je nach Neigung beispielsweise mit einer Inhaltsangabe oder den Kernthesen des Textes.
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Schreiben – für den eigenen Erkenntnisprozess und den Leser

  • Da die Quellenkritik ein methodisches Instrument darstellt, ist die äußere Darstellung letztlich sekundär: Entscheidend ist, dass die Validität einer verstandenen Quelle für das Beantworten der eigenen Fragestellung gelingt. Dennoch sollte die Darstellung der Methode für einen außenstehenden Leser nicht unterschätzt werden – schreiben Sie eine Hausarbeit, Ihr Examen oder einen Aufsatz, dann möchte der interessierte Leser selbstredend wissen, wie Sie sich zu den von Ihnen erörterten Quellen verhalten. Deshalb sollten Sie quellenkritische Erwägungen dort, wo sie hingehören (z.B. wenn es um die Auswahl des Materials für Ihr Forschungsvorhaben geht) erörtern.
  • Oftmals ist die Quellenkritik natürlich auch eine didaktische Artistik, die Ihnen den methodischen Umgang nahe bringen soll. In diesem Fall müssen Sie aus Ihren Notizen und Anmerkungen in der Regel einen geschlossenen kleinen Aufsatz produzieren. Hier empfiehlt es sich, den klassischen Textaufbau der Quellenarbeit in der Oberstufe streng einzuhalten: Als Erstes fassen Sie die Quelle möglichst prägnant zusammen, dann diskutieren Sie den Text immanent auf äußere und inhaltliche Kriterien, um ihn schließlich in den Ihnen bekannten Gesamtkontext kritisch einzuordnen.
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