Zentrale Rolle des Immunsystems bei der Milchallergie
Als Nahrungsmittelallergie wird eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf Nahrungseiweiße bezeichnet. Dabei versucht das körpereigene Immunsystem, die Nahrungsmitteleiweiße entweder durch Antikörper (sog. Immunglobuline) oder Abwehrzellen zu zerstören, was zu einer Vielzahl an Krankheitssymptomen führen kann. Immunzellen sind in großer Zahl in der Darmschleimhaut vorhanden. Die normale Reaktion reifer Immunzellen auf den ersten Kontakt mit Nahrungsmitteleiweißen ist eine langsame Gewöhnung, sodass die Eiweiße schließlich problemlos vertragen werden.
- Da das Immunsystem Ihres frisch geborenen Säuglings noch unreif ist, kann ein zu früher Kontakt mit Milcheiweiß zu einer Unverträglichkeit im Sinne einer Nahrungsmittelallergie führen. In diesem Fall hat die Milchallergie eine gute Prognose. Das Immunsystem Ihres Kindes holt die Gewöhnung an Kuhmilch in den ersten Lebensjahren langsam nach und die Milchallergie klingt spontan ab, was bei rund 90% der betroffenen Kinder spätestens im Schulalter der Fall ist.
- Die Milcheiweißallergie Ihres Kindes kann jedoch auch genetisch bedingt sein, was bedeutet, dass sie angeboren ist. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Milchallergie komplett „auswächst“, eher gering. Das Immunsystem wird voraussichtlich dauerhaft Probleme mit Milcheiweiß haben. Die Unverträglichkeit kann bis ins Teenageralter anhalten und im Erwachsenenalter dazu führen, dass nur kleine Mengen an Kuhmilch beschwerdefrei konsumiert werden können.
- Ein erster Hinweis auf die genetisch bedingte Variante ist bei einer gesicherten Milchallergie das Bestehen weiterer Nahrungsmittelallergien Ihres Kindes. Auch wenn Sie als Elternteil selbst unter Allergien leiden, ist das Risiko einer angeborenen Milchallergie für Ihr Kind größer.
- Sie dürfen die Milchallergie nicht mit einer Laktoseintoleranz verwechseln. Als Laktose wird der Milchzucker bezeichnet, für dessen Verdauung das Enzym Laktase benötigt wird. Die Laktaseproduktion nimmt bei vielen Erwachsenen im Laufe des Lebens langsam ab. Die Folge ist, dass Milch und Milchprodukte immer schlechter vertragen werden und zu Bauchkrämpfen und Durchfällen führen. Die Kuhmilchallergie hingegen beruht nicht auf einem Enzymmangel, sondern ist Ausdruck einer aktiven Immunreaktion.
Bei Kindern, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern, ist eine Milchunverträglichkeit nicht …
Milcheiweißallergie führt zu vielfältigen Symptomen
Eine Milcheiweißallergie kann zu einer Vielzahl an Krankheitserscheinungen führen. Nicht selten treten Symptome auf, die für eine Allergie eher untypisch sind. Die Vielzahl der Symptome, die scheinbar nicht zusammenpassen und wiederholt auftreten, sind jedoch verdächtig auf eine Nahrungsmittelallergie.
- Bei einer Milchallergie kann die Zufuhr von Kuhmilch bei Ihrem Säugling zu Schreien, Spucken, Erbrechen, Unruhe und Schlafstörungen nach der Fütterung führen. Auch das Verweigern der Nahrungsaufnahme kommt vor, was im Säuglingsalter schnell zu einer bedenklichen Gewichtsabnahme und Gedeihstörungen führen kann.
- Eventuell beobachten Sie bei Ihrem Säugling Darmsymptome, beispielsweise häufige Verstopfung oder Durchfälle, Blähungen mit aufgetriebenem Bauch oder Blutauflagerungen auf dem Stuhl. Letzteres ist meist auf allergisch bedingte Entzündungen der Dick- und Enddarmschleimhaut zurückzuführen.
- Auch hartnäckige Ekzeme, die kaum auf eine Lokalbehandlung ansprechen, können Ausdruck einer Milchallergie Ihres Kindes sein. Weitere Symptome sind Schwellungen der Lippen und der Mundschleimhaut sowie stecknadelkopf- bis münzgroße rötliche Schwellungen der Haut („Nesselsucht“).
- Lebensbedrohliche Allergieschocks stellen bei der Milchallergie eher die Ausnahme dar und werden häufiger bei Allergien auf Erdnüsse, Soja, Sellerie oder Hühnereiweiß beobachtet. Sie bedürfen das Mitführen eines Notfallsets, damit im Fall einer versehentlichen Aufnahme von Milch Medikamente durch die Haut injiziert werden können und das Schockgeschehen sofort unterbrochen wird. Für besorgte Eltern sind neben einer engen ärztlichen Betreuung folgende Internetportale gute Informationsquellen: Pina e.V. und Anaphylaxie.net.
Diagnostik bei Nahrungsmittelallergien
Eine Allergiediagnostik kann in jedem Lebensalter durchgeführt werden, somit auch bei Säuglingen und Kleinkindern. Bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie ist der Kinderarzt der erste Ansprechpartner, der die Diagnostik entweder selbst durchführt oder an einen Hautarzt oder Allergologen verweist.
- Ergibt sich im ärztlichen Gespräch der Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie, müssen Sie zunächst über einen gewissen Zeitraum ein Ernährungs- und Symptomprotokoll zu führen. Hier tragen Sie ein, welche Nahrung Ihr Kind in welcher Menge zu sich genommen hat, welche Inhaltsstoffe enthalten sind, ob und wenn ja, welche Symptome nach der Nahrungsaufnahme auftreten. Wichtig ist auch die Zeitspanne zwischen der Nahrungsaufnahme und den ersten Symptomen.
- Falls Sie selbst unter Allergien leiden, erwähnen Sie das im ärztlichen Gespräch. Allergikerkinder leiden im Vergleich zu nicht mit Allergien behafteten Eltern überproportional häufig ebenfalls an Allergien.
- Die gängigen Allergietests, bei denen beispielsweise eine Allergensubstanz auf die Haut getropft und diese anschließend mit einer feinen Lanzette angeritzt wird, kann bei einer Milchallergie prinzipiell auch durchgeführt werden. Eine positive Reaktion ist allerdings noch kein Beweis für eine Nahrungsmittelallergie Ihres Kindes, gibt aber Hinweise darauf.
- Der wichtigste Untersuchungsschritt ist die sog. Eliminationsdiät. Das bedeutet, dass Sie Kuhmilch und kuhmilchhaltige Nahrungsprodukte konsequent vom Speisezettel Ihres Kindes streichen. Treten die Krankheitserscheinungen unter der kuhmilchfreien Ernährung nicht mehr auf, wird der behandelnde Arzt Sie auffordern, nach einer beschwerdefreien Zeitphase Ihrem Kind nochmals Milch zu verabreichen. Treten erneut Beschwerden auf, ist die Kuhmilchallergie bewiesen.
Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist der Verzicht auf Kuhmilch
Die Behandlungsmöglichkeiten einer Nahrungsmittelallergie und somit auch einer Milchunverträglichkeit sind sehr begrenzt. Medikamente dagegen existieren derzeit nicht, sodass die einzige Maßnahme gegen die Unverträglichkeit das strikte Meiden des allergieauslösenden Nahrungsmittels ist. Wurde bei Ihrem Kind eine Milchallergie sicher nachgewiesen, sind Kuhmilch und kuhmilchhaltige Nahrungsmittel ab sofort tabu.
- Ob ein Nahrungsmittel Kuhmilchbestandteile enthält, ist für Sie nicht immer auf den ersten Blick erkennbar und insbesondere bei Fertigprodukten ist Vorsicht geboten. Die Hersteller sog. „verpackter“ Nahrungsmittel sind laut EU-Verordnung zwar verpflichtet, typische allergieauslösende Zusätze auf der Verpackung anzugeben, die Angaben sind aber oft missverständlich. So versteckt sich beispielsweise hinter dem Begriff „Casein“ nichts anderes als Kuhmilcheiweiß.
- Besonders schwierig ist es beim Kauf loser, „unverpackter“ Lebensmittel beim Bäcker, Metzger oder an der Frischetheke im Supermarkt und wenn Sie mit Ihrem Kind ein Restaurant besuchen. Lose Ware muss nicht mit Warnhinweisen versehen werden und auf einer Speisekarte werden Sie in den seltensten Fällen Angaben zu allergisierend wirkenden Inhaltsstoffen finden. Auch Medikamente und Pflegemittel können Milch enthalten.
- Sie sollten somit eine qualifizierte Ernährungsberatung mit allergologischem Schwerpunkt in Anspruch nehmen, die Sie über die Lebensmittelkennzeichnung aufklärt, damit Sie beim Umgang mit Warnhinweisen auf Verpackungen nicht den Überblick verlieren. Außerdem lernen Sie, wie Sie milchfreie Mahlzeiten zubereiten und Ihr Kind in „Risikosituationen“ (Geburtstagsfeiern, Urlaub) vor einer unbeabsichtigten Milchaufnahme schützen können.
- Wichtig ist, dass alle Personen im Umfeld Ihres Kindes über das „Milch-Tabu“ informiert sind: der ganze Familien- und Freundeskreis, Babysitter, Erzieherinnen, Lehrer, Freunde Ihres Kindes und deren Eltern. Der Tausch von Pausenbroten in der Schule oder das gut gemeinte Milcheis beim Besuch der Oma sind verboten!
- Eine Ernährungsberatung ist erforderlich, da ja auch ein Ersatz für die Kuhmilch her muss. Neben der Muttermilch stellt die Kuhmilch ernährungsphysiologisch gesehen ein wichtiges Nahrungsmittel des wachsenden Kindes dar. Insbesondere im Säuglings- und frühen Kleinkindesalter muss eine Fehl- oder Mangelernährung unbedingt vermieden werden, damit es nicht zu Nährstoffdefiziten kommt. In der Ernährungsberatung lernen Sie verschiedene Ersatznahrungsprodukte kennen, die Ihr Kind mit allen Nährstoffen versorgen, die es benötigt.
- Da sich die Milchallergie in den meisten Fällen bis zum Schulkindalter verliert, kann nach ärztlicher Absprache alle ein bis zwei Jahre ein Provokationstest durchgeführt werden, bei dem Sie Ihrem Kind kleine Mengen Kuhmilch verabreichen. So können Sie kontrollieren, ob überhaupt noch eine Unverträglichkeit besteht.
Vorbeugende Maßnahmen gegen die Milchallergie
Wünschenswert ist natürlich, einer Milchallergie durch vorbeugende Maßnahmen zuvorzukommen. Aber auch hier sind die Möglichkeiten begrenzt. Sie sollten jedoch folgende Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinischen Immunologie sowie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin beherzigen:
- Stillen Sie Ihr Kind - wenn möglich - mindestens vier Monate.
- Verzichten Sie auf eine Zufütterung von Kuhmilchprodukten, wenn das Einschießen der Muttermilch nach der Geburt zunächst etwas zögerlich ist. Weichen Sie dann vorübergehend auf kuhmilchfreie Ersatznahrung aus.
- Mit der Zufütterung von Beikost sollten Sie erst ab dem 5. Lebensmonat Ihres Kindes beginnen.
- Schafs-, Ziegen- und Sojamilch stellen keinen Ersatz für Kuhmilch dar. Sie sollten im ersten Lebensjahr Ihres Kindes darauf verzichten, da diese Milchsorten ebenfalls Allergien auslösen können.
Die Milchallergie ist eine der häufigsten Nahrungsmittelunverträglichkeiten im Kindesalter, auch wenn sie nur bei 3 bis 4% aller Säuglinge auftritt. Die häufigste Form der Milchallergie ist auf eine zu frühe Zufuhr von Kuhmilch im Säuglingsalter zurückzuführen. Sie verliert sich in der überwiegenden Zahl der Fälle bis zum Schulalter, stellt jedoch eine Herausforderung für die Eltern dar. Damit die betroffenen Kinder keine Nährstoffdefizite entwickeln, darf eine Milchallergie nicht im elterlichen Alleingang behandelt werden, sondern bedarf immer einer guten ärztlichen Betreuung.
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