Wer Kleinkinder hat, benötigt hin und wieder einen Erziehungsratgeber
Babys, Kleinkinder und Kinder zu haben, ist etwas Wunderbares. Gemeinsam mit den Kleinen kann man die Welt mit anderen Augen und aus anderen Perspektiven kennenlernen. Trotzdem ist es auch eine große Verantwortung und Herausforderung. Deshalb ist es gut, dass verschiedene Erziehungsratgeber zur Seite stehen, wenn die Verunsicherung groß wird, wie z. B. beim Thema „Fremdeln“.
- Jeder Erziehungsratgeber wird Ihnen bestätigen, dass das Fremdeln bei Babys und Kleinkindern ein ganz normales Verhaltensrepertoire ist. Sie als Eltern machen also nichts falsch! Manche Kleinkinder beginnen mit dem Fremdeln etwas später, andere etwas früher. In der Regel beginnen Babys im Alter von 6 - 7 Monaten zu fremdeln. Schon mit der Geburt hat das Baby eine „Angst“ durchlebt und musste sich auf eine neue Lebenswelt einstellen.
- Nachdem es in den ersten Wochen verschlafen vorwiegend die Nähe der Mutter gespürt und wahrgenommen hat, beginnt es mit etwa drei Monaten, seine Umwelt zu betrachten. Die vielen neuen Eindrücke führen dazu, dass dem Kleinkind bewusst wird, nur eine „Hauptbezugsperson“ zu haben - in der Regel die Mutter. Von der Geburt bis zum dritten/vierten Lebensmonat hat das Kleinkind/Baby mithilfe der Mutter wieder Vertrauen zu seiner neuen Umwelt gefasst. Mit täglich wachsenden Wahrnehmungsfähigkeiten muss es zunehmend neue Eindrücke verarbeiten, die zunächst befremdend und ggf. bedrohlich erscheinen.
- Werner Stangl (Österreich) vom Institut für Pädagogik und Psychologie der Universität Linz hat die Ängste, die Kleinkinder, Kinder und Jugendliche von Geburt an erleben, detailliert ausgeführt. Er nennt die Ängste, die Kleinkinder im ersten Lebensjahr durchleben, „Separationsängste“ und meint damit die Verlust- bzw. Trennungsängste. So ist es zu verstehen, dass Kleinkinder zwischen 6 - 8 Monaten, je nach Persönlichkeit früher oder später, zu fremdeln beginnen. Sie erleben die Bezugsperson (i. d. R. die Mutter) als Vertrauensperson und jede andere Person als fremd und unvertraut.
- Selbst der Vater, der sein Kind nur abends begrüßen kann, wird als „fremd“ eingestuft, da er nicht rund um die Uhr bei ihm sein kann. Das Kind klammert sich an seine Mutter, dreht den Kopf in deren Arm, schließt die Augen und bittet mit seiner ganzen Körpersprache als auch durch Weinen und Wimmern um Schutz. Es geht nicht um die Ablehnung der anderen Person, sondern um die Angst, den „Fremden“, den „Anderen“ nicht zu kennen, nicht einschätzen zu können und durch ihn womöglich die eigene gesicherte Welt verlieren zu können. Fremdeln ist also eine „Selbstschutzreaktion“.
Wenn ein Baby auch bei Papa fremdelt, ist dies kein Grund, verletzt oder enttäuscht zu sein. Oft …
So helfen Sie Ihrem Kleinkind, wenn es fremdelt
- Nehmen Sie Ihr Kind mit seiner Angst ernst und erzwingen Sie nichts. Geben Sie Ihrem Kleinkind den Schutz, den es benötigt, denn Vertrauen ist die wichtigste Basis einer Beziehung. Vertrauen können Sie nur stärken, wenn Sie mit Ihrem Kind auch seine Wege gemeinsam gehen.
- Begeben Sie sich gemeinsam mit Ihrem Kind immer wieder in die Kontakte, die es zunächst kennenlernen sollte. D. h., laden Sie z. B. Oma, Opa oder Tanten und Onkel zu sich ein, damit Ihr Kind diese Menschen im gewohnten Umfeld erleben kann. Erzwingen Sie auf keinen Fall Körperkontakte, wie z. B. zu Opa auf den Arm zu gehen, von Oma zu Bett gebracht zu werden usw.
- Akzeptieren Sie, wenn Ihr Kleinkind fremdelt, und geben Sie ihm den psychisch-physischen Schutz, den es benötigt. Trösten Sie es, wenn es weint, und erklären Sie ihm, dass alles gut ist. Lassen Sie Ihrem Kind die Zeit, die es benötigt, um auf andere zuzugehen.
- Begleiten Sie Freunde und Freundinnen auf Spaziergängen. Nehmen Sie sich gemeinsam mit dem Kind etwas vor, sodass es seine Umwelterfahrungen unter Ihrem Schutz erweitern kann. Besuchen Sie Verwandte, gehen Sie mit Nachbarn in den Zoo usw.
- Denken Sie daran, dass Ihr Kind Zeit benötigt, um zu akzeptieren, dass die spezifisch-vertraute Welt Ihrer persönlichen Beziehung, dazu zählen auch Laute, Gesten, Mimik, Gerüche usw., erweiterungsfähig ist.
- Sollte Ihr Kind bereits 3 - 4 Jahre alt sein und sollten Sie den Eindruck gewinnen, es fremdele erneut - oder jetzt erst -, könnte es sich auch um eine andere Angstform handeln. Manche Kinder erleben fremde Menschen als „böse“, „unberechenbar“ oder „übermächtig“. Sprechen Sie in dem Fall mit Ihrem Kind, warum es vor Herrn XX oder Frau YY Angst hat, und versuchen Sie, die Angelegenheit zu klären. Ggf. wäre vielleicht auch mal eine Frage an den Kinderarzt zweckmäßig - nicht, weil Ihr Kind „unnormal“ wäre, sondern weil ein Kinderarzt zwischen verschiedenen Angstverhalten oft besser zu differenzieren vermag.
Hinweis: Es gibt Kleinkinder, die nie fremdeln - warten Sie also nicht auf den Tag X, vielleicht kommt er bei Ihrem Kind nie.
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