Entspannung und Berieselung sind nicht das Gleiche
Viele Menschen, die sich nach Feierabend im heimeligen Wohnzimmer auf die Couch vor den Fernseher legen, sind davon überzeugt, dass sie sich bei dieser Tätigkeit ausgiebig entspannen können. Wenn Sie bereits Erfahrung mit Meditation, Yoga oder vergleichbaren Praktiken haben, wissen aber wahrscheinlich bereits, dass diese Art von Berieselung herzlich wenig mit dem bewussten und wahrhaft befreienden "Loslassen" von Muskeln, Gedanken und Gefühlen zu tun hat.
- Eine echte Entspannung und insbesondere eine echte Tiefenentspannung ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Gerade in unserer hektischen und von Reizüberflutung geprägten Lebenswelt leiden nicht wenige Menschen darunter, in ihrer Freizeit nicht "abschalten" zu können. Viele versuchen, dem entgegenzuwirken, indem sie sich mit immer härteren Workouts nach der Arbeit bis zur völligen Erschöpfung "auspowern". Was dann noch an bedrängenden und belastenden Gedanken oder Gefühlen übrig ist, kann dann "effektiv" durch das Fernsehprogramm verdrängt werden. Gegen Muskelverspannungen hilft Schmerzgel.
- Das Erlernen der Fähigkeit zur gezielten und bewussten Entspannung kann ein rettender Ausweg aus diesem offensichtlichen Teufelskreis sein. Ein wöchentlicher Yogakurs kann hierfür eine gute Grundlage legen. Allerdings besteht auch hier die Gefahr, auf einer oberflächlichen Entspannungsebene stehen zu bleiben. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der Körper von außen zwar unbewegt und entspannt aussieht, im Innern des Kopfes aber noch immer die Gedanken ihre weitverzweigten Bahnen ziehen und das Gemüt weiterhin in Aufruhr versetzen.
- Die größte Schwierigkeit bei der Tiefenentspannung besteht darin, dass man es oft selbst kaum bewusst mitbekommt, wenn man in Gedanken abdriftet. So kann es passieren, dass ein Gedanke oder ein Gefühl so stark wird, dass man plötzlich und unvermittelt die Praxis beendet und dann im Grunde wieder am gleichen Punkt wie vorher ist. Um dies zu vermeiden und wirklich zur Ruhe zu kommen, bedarf es daher einiger systematischer und intelligenter Übungstechniken.
Den Körper auf systematische Weise entspannen
Die wichtigste Entspannungshaltung beim Yoga trägt den Namen Savasana, was auf Deutsch "Totenhaltung" bedeutet. Bei der Praxis sterben Sie gewissermaßen einen symbolischen Tod. Dazu gehört es, die Dinge des Alltags für die Dauer der Übungspraxis gedanklich vollständig loszulassen. Dies ist allerdings nicht einfach kann nur durch eine möglichst vollständige Entspannung des Körpers erreicht werden. Um diese zu gewährleisten, sollten Sie die folgenden Empfehlungen befolgen.
Yoga ist zum Trendsport geworden. Grund hat das allemal, denn Yoga-Übungen wirken entspannend, …
- Die rein körperliche Ausführung von Savasana ist nicht schwierig. Im Grunde müssen Sie nichts weiter tun, als für etwa 15 bis 20 Minuten flach auf dem Rücken liegen zu liegen. Bereits beim Hinlegen gibt es aber eine Reihe von Tipps zu beachten, welche der Tiefenentspannung überaus dienlich sind. So sollten Sie sicherstellen, dass Sie sich möglichst gerade beziehungsweise in einer Linie hinlegen. Versetzen Sie das Gesäß etwas in Richtung Füße, um den unteren Rücken zu längen, und drehen Sie die Oberarme aus, sodass die Handflächen nach oben zeigen und die Mittelfingerknöchel den Boden berühren. Wenn das Kinn hochragt, sollten Sie sich eine gefaltete Decke unter den Kopf legen. Eine gerollte Decke unter den Kniekehlen hilft bei Rückenschmerzen. Wenn Ihnen schnell kalt wird, sollten Sie außerdem eine weitere Decke zum Zudecken verwenden.
- Nehmen Sie sich genügend Zeit, um sich richtig auszurichten. Die Haltung sollte angenehm und bequem sein und sich möglichst symmetrisch anfühlen. Drehen Sie den Kopf nicht zu Seite. Wenn Sie nach circa ein bis zwei Minuten die beste Haltung gefunden haben, müssen Sie die Entscheidung treffen, sich für die restliche Übungszeit nicht mehr zu bewegen. Widerstehen Sie dem Impuls, sich zu kratzen, oder dem Drang, sich aus einem anderen Grund zu bewegen. Auch wenn diese am Anfang schwierig ist und einen zunächst fast wahnsinnig machen kann, trägt dies letztendlich wesentlich zur Entspannung bei, da jede kleinste Bewegung das Nervensystem anfeuert. Das Jucken, Kitzeln und so weiter wird bald von ganz allein verschwinden.
- Statt nun einfach nur dazuliegen und die Zeit abzuwarten, können Sie den Entspannungsprozess gezielt und bewusst unterstützen: Entspannen Sie dazu die Beine vollständig, lassen Sie die Fußspitzen nach außen sinken und die Leisten weich werden. Lassen Sie das Gefühl der Schere und Erdung zu, das sich nach und nach in Armen und Beinen einstellt. Entspannen Sie auch die Bauchorgane und spüren Sie, wie sich die Bauchdecke durch die Atmung sanft auf und ab bewegt.
So vertiefen Sie den bewussten Entpannungsprozess
- Sobald der Körper einigermaßen entspannt ist, wird die Gefahr des Abdriftens in Gedanken größer. Dieses Abdriften wirkt der Entspannung entgegen und sollte unbedingt vermieden werden. Der Kopf ist der Sitz der Sinnesorgane sowie der Gedanken und sollte daher auf besonders aufmerksame Art und Weise entspannt werden. Lösen Sie dazu alle Muskeln im Gesicht. Insbesondere die des Unterkiefers. Entspannen Sie die Kehle und lassen die Lippen und die Zunge weich werden. Entspannen Sie anschließend auch die Haut im Gesicht; vor allem an der Stirn und an den Schläfen.
- Da die Augen sich beim Denken oft mitbewegen, kann es für die Vertiefung der Entspannung sehr hilfreich sein, die Augen auf systematische Weise zu beruhigen. Lassen Sie dazu die oberen Augenlieder zu den unteren sinken und spüren Sie, mit Ihrem Körperbewusstsein, Ihre Augäpfel. Lassen Sie den Blick unter den Lidern ganz zur Ruhe kommen und spüren Sie, wie die Augäpfel "weicher" werden. Wenn Ihnen dies gelingt, wird sich zusätzlich das Gefühl einstellen, dass die Augäpfel in Richtung Hinterkopf tiefer in die Augenhöhlen sinken können. Erlauben Sie dieses Gefühl und erneuern Sie es, wenn es wieder verschwindet.
- Bewahren Sie sich die Entspannung von Körper und Kopf, kehren Sie nun aber mit der Aufmerksamkeit wieder zu Ihrem Atem zurück. Stellen Sie sich vor, Sie würden die Luft beim Atmen nicht Einsaugen und wieder ausstoßen, sondern quasi vom Raum um sie herum "beatmet" werden: Bei der Einatmung strömt die Luft in sie hinein und erfüllt ihren ganzen Körper mit Wärme und Lebenskraft. Die Ausatmung geschieht ebenfalls ganz von allein und unterstützt das allgemeine Gefühl des fortwährenden Los- und Gehenlassens. Verfolgen diesen rhythmischen Wechsel für die restliche Zeit gelassen und passiv, aber dennoch wach und aufmerksam.
Zu Beginn ist es normal, dass die Aufmerksamkeit während der Tiefenentspannung immer wieder verloren geht. Lassen Sie sich davon nicht irritieren, sondern seien Sie dankbar für das, was Ihnen bereits möglich ist. Loslassen ist das Gegenteil von Festhalten und lässt sich von daher nicht erzwingen. Geduld ist insofern auch eine wichtige Voraussetzung für Fortschritte bei der Entspannungsfähigkeit. Achten Sie am Ende der Übung in jedem Fall darauf, die Haltung langsam und bewusst aufzulösen. Bleiben Sie noch einen Moment sitzen und atmen Sie ein- bis zweimal tief durch. Am nächsten Tag können Sie die Übung wiederholen!
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