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Warum (nicht) zur Bundeswehr?

Rechnen Sie damit, auf Menschen schießen zu müssen.
Rechnen Sie damit, auf Menschen schießen zu müssen.
Nach der Abschaffung der Wehrpflicht waren und sind in der Bundeswehr Umstrukturierungen nötig. Die Armee braucht motiviertes und qualifiziertes Personal, welche über große Werbekampagnen angeworben wird. Die Bilder in der Werbung versprechen einen spannenden und interessanten Job. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus, als in den Werbefilmen und Broschüren. Es gibt gute Gründe, warum sich jeder genau überlegen sollte, ob er oder sie zur Bundeswehr gehen soll. Natürlich gibt es auch vieles was für den Beruf spricht, Sie müssen genau abwägen.

Die Bundeswehr im Wandel der Zeit

Von 1949 bis 1955 gab es keine Armee in der jungen Bundesrepublik Deutschland. Die Einführung der Bundeswehr und deren möglicher Einsatz waren von Anfang an umstritten.

  • Einerseits bestand ein Bedürfnis sich gegen den kommunistischen Machtblock zu wehren, auf der anderen Seite betrachtete die Welt bewaffnete deutsche Truppen, nach den Erlebnissen des Zweiten Weltkriegs, mit großer Skepsis. Als 1955 die Bundeswehr nach langer Debatte eingeführt wurde, gab es eine allgemeine Wehrpflicht. Sie verpflichtete junge Männer zum Dienst in der Armee, mit der Option, diesen aus Gewissensgründen zu verweigern.
  • Als Zeit- oder Berufssoldat bot die Bundeswehr vielen eine Chance auf eine gute Ausbildung und ein Studium. Der Dienst in der Armee war aber teilweise absurd. Man übte für einen Verteidigungsfall. Auf der anderen Seite durfte die Armee laut internationalen Vereinbarungen einen großen Teil der Bundesrepublik nicht verteidigen. Der Rhein war als Verteidigungsgrenze bei einem Angriff aus dem Osten festgelegt.
  • Bis zur Auflösung des Warschauer Pakts änderte sich wenig. Die Soldaten wurden allerdings häufig zu humanitären Einsätzen in Krisengebiete entsandt. Diese beschränkten sich auf den Aufbau von Wasserversorgungen oder dem Verteilen von Hilfsgütern.
  • Seit 1994 sind der Bundeswehr auch Einsätze im Ausland erlaubt. Sie wird im Rahmen von internationalen Bündnissen in verschiedenen Regionen der Welt eingesetzt. Die Soldaten müssen bei den Einsätzen mit Kampfhandlungen rechnen. Allerdings greifen die Truppen in der Regel nicht an, kommen aber immer wieder in Situationen, in denen  sie sich verteidigen zu müssen.
  • Die Einsätze müssen vom Parlament genehmigt werden. Wenn Sie als Soldat den Befehl bekommen, daran teilzunehmen, müssen Sie diesem Folgen. Sie können aber unter Umständen aus Gewissensgründen den Einsatz verweigern und aus der Armee ausscheiden.

Möglichkeiten in der Armee Karriere zu machen

Ihr späterer Einsatz und Ihre Karrierechancen hängen von Ihren Fähigkeiten und von Ihrem Ausbildungsstand beim Eintritt in die Armee ab. Bevor Sie zur Bundeswehr dürfen, findet die sogenannte Musterung statt. Sie werden ärztlich untersucht. Außerdem sind verschiedene Tests zu absolvieren, um Ihre psychische und geistige Tauglichkeit für den Dienst zu prüfen. In diesem Rahmen findet auch ein Sporttest statt.

  • Mit Hauptschulabschluss beginnt Ihre Laufbahn in einem Mannschaftsdienstgrad, Sie können sich später als Fachunteroffizier qualifizieren. Außerdem haben Sie die Möglichkeit eine Lehre zu absolvieren, zum Beispiel als Elektroniker oder Mechaniker.
  • Mit einem Realschulabschluss oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung haben Sie die Möglichkeit Feldwebel zu werden. Sofern Sie eine Musikprüfung bestehen, können Sie zum  Militärmusikdienst gehen. Musiker werden üblicherweise nicht in Krisengebiete geschickt.
  • Mit Abitur oder abgeschlossener Hochschulausbildung gehören Sie zum Nachwuchs der Führungskräfte, eine Offizierslaufbahn ist üblich. Als Abiturient studieren Sie außerdem bei der Bundeswehr. Diese Chance nutzen viele, die auf dem üblichen Weg keinen Studienplatz in Medizin oder Zahnmedizin bekommen.

Arbeiten bei Armee und Luftwaffe

Die Bundeswehr ist der größte Arbeitgeber in Deutschland. Sie können eine zivile oder eine militärische Karriere anstreben. Die Arbeit und die Ausbildung unterschieden sich zum Teil sehr von einer Tätigkeit in anderen Unternehmen. Wie groß der Unterschied ist, hängt unter anderem von der Vorbildung, der Art der Tätigkeit, für die Sie sich entscheiden und vom Einsatzort ab.

  • Falls Sie sich für den zivilen Weg entscheiden, sieht der Arbeitsalltag weitgehend ähnlich aus wie in anderen großen Unternehmen. Sie sind in der Verwaltung, der Logistik oder mit der Instandhaltung von Material befasst. Sie sind entweder Angestellter oder Beamter mit der entsprechenden sozialen Absicherung im Krankheitsfall, bei Invalidität oder im Alter.
  • Als ziviler Angestellter der Bundeswehr sind Sie kein Soldat. Sie dürfen freiwillig an Auslandseinsätzen teilnehmen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit haben Sie im Ausland den Status eines Soldaten und bekommen vor dem Einsatz eine militärische Ausbildung.
  • Wenn Sie sich für die militärische Karriere entscheiden, müssen Sie zunächst eine Grundausbildung absolvieren, die für alle etwa die gleichen Inhalte hat. Dort bekommen Sie die Fähigkeiten vermittelt, die Sie als Soldat im Einsatz benötigen.
  • Je nach Art der Verpflichtung, Ihrer Vorbildung und Ihrer Karriereplanung werden die militärischen Kenntnisse vertieft oder Sie erlernen einen zivilen Beruf. Sie können zum Beispiel in einer Werkstatt der Bundeswehr Kfz-Mechatroniker werden oder an einer Hochschule des Bundes studieren. Außerdem können Sie in einem zivilen Betrieb lernen oder an einer anderen Universität studieren.
  • Haben Sie sich für eine rein militärische Karriere entschieden, sind Sie ausschließlich als Soldat tätig. Ihr Dienst umfasst die Ausbildung von Soldaten oder die Entwicklung von Strategien. Wenn Sie einen zivilen Beruf gewählt haben, umfasst der Dienst zwei verschiedene Bereiche: In Deutschland  zum Beispiel unterscheidet sich die Tätigkeit als Arzt, Sanitäter, Jurist oder auch als Mechatroniker nicht von den Tätigkeiten im zivilen Bereich. Sie arbeiten beispielsweise in einer Werkstatt und reparieren Autos oder sind als Arzt mit der Behandlung von Krankheiten befasst. Bei den Auslandseinsätzen sieht das Berufsbild anders aus: Sie arbeiten in der Nähe der Truppen und müssen auch militärische Aufgaben übernehmen.

Status von Soldaten bei Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes

Der Status als Zeitsoldat ist ungewöhnlich. Sie sind weder Angestellter des Bundes noch Beamter. Sie unterliegen aber der Fürsorgepflicht Ihres Arbeitgebers.

  • Die Arbeitslosenversicherung wird pauschal entrichtet, Sie haben ab einer Dienstzeit von 12 Monaten Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Beiträge für die Rentenversicherung werden vom Bund später nachentrichtet.
  • Sie sind während der Zeit bei der Bundeswehr weder in einer gesetzlichen Krankenversicherung noch in der Pflegeversicherung. Sie werden kostenlos von den Ärzten und Zahnärzten der Bundeswehr versorgt. Wenn Sie einen anderen Arzt aufsuchen müssen, übernimmt der Bund die Kosten. Ihre Familienangehörigen müssen sich selbst versichern.
  • Wenn Sie in Ausübung des Dienstes einen gesundheitlichen Schaden erleiden, steht Ihnen während der Dauer der Dienstzeit ein Ausgleich zu. Nach dem Ende der Dienstzeit können Sie eine Beschädigtenversorgung durch die zivile Versorgungsverwaltung erhalten.
  • Sofern Sie als Soldat in einem berufsnahen Bereich arbeiten, können die Zeiten als Berufspraxis angerechnet werden. Beispiel: Wer seinen Mechatronikermeister machen will, kann die Zeit bei der Armee unter Umständen als notwendige Praxis angerechnet bekommen.

Warum Sie sich zur Verpflichtung Gedanken machen sollten

Nutzen Sie die Möglichkeit sich vor der Bewerbung ausführlich beraten zu lassen. Diese kann natürlich Ihre persönliche Entscheidung nicht ersetzen. Setzen Sie sich unbedingt mit folgenden Aspekten auseinander:

  • Die Bundeswehr und die Luftwaffe sind ein Spiegel der Gesellschaft. Offiziell gibt es keine Diskriminierung von Frauen oder wegen der sexuellen Ausrichtung. 2006 wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) durch das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz (SoldGG) ergänzt. Laut dem Bericht des Wehrbeauftragten gab es 2012 letztmals eine Eingabe, die im Zusammenhang mit einer Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung stand. Seit 2010 gab es ohnehin nur weniger als zehn Beschwerden pro Jahr wegen solcher Diskriminierungen. Das heißt aber nicht, dass Sie in der Truppe keinen Frotzeleien ausgesetzt sind. Sie müssen sich als Frau in der Regel gegen Vorurteile seitens der Kameraden behaupten. Dies gilt generell für Außenseiter, also auch für Lesben und Schwule.
  • Mit Migrationshintergrund haben Sie es in der Bundeswehr schwer. Die Führung begrüßt eine große kulturelle Vielfalt, insbesondere wegen der Auslandseinsätze. Trotzdem gibt es Stimmen von Soldaten und Offizieren mit Migrationshintergrund, dass Sie stärker gefordert werden und gegen Vorurteile ankämpfen müssen. Tatsache ist aber auch, dass es in der Bundeswehr ein Diskriminierungsverbot gibt und Ihnen viele Wege der Beschwerde offen stehen. 
  • Vielen Soldaten fühlen sich bei den Einsätzen im Stich gelassen, denn die Versorgungsengpässe sind groß. Manchmal fehlt es an Waffen und Munition. Diese Situation führt zu Frustrationen und verstärkt den Stress. Aktuell ist die Verteidigungsministerin dabei die materielle Einsatzbereitschaft zu prüfen.
  • Sie werden in Situationen kommen, mit denen Sie niemals gerechnet haben. Die Menschen in fremden Ländern haben oft eine andere Kultur, vieles erscheint Ihnen grausam und verwirrend. Manches, was Ihnen als falsch erscheint, müssen Sie hinnehmen. Sie dürfen in vielen Ländern zum Beispiel keine Frau ansprechen oder dieser helfen, wenn sie gezüchtigt wird.
  • Es kann Ihnen jederzeit geschehen, dass Sie selbst verwundet werden oder sehen, wie ein Kamerad verwundet oder getötet wird. Außerdem müssen Sie damit rechnen, selber auf Menschen zu schießen. Machen Sie sich diesen Umstand klar. Auch als Arzt, Sanitäter oder IT-Spezialist tragen Sie eine Waffe. Es kann zu Situationen kommen, in denen Sie diese benutzen.

Machen Sie sich nichts vor: Die Selbstmordrate unter Soldaten, die in einem Kampfeinsatz waren, liegt über dem Durchschnitt der Bevölkerung. Niemand wird problemlos damit fertig, auf einen Menschen geschossen zu haben oder sogar für seinen Tod verantwortlich zu sein. Die meisten brauchen eine Therapie, um das Erlebte zu verkraften.

Konsequenzen, wenn Sie sich gegen einen Einsatz entscheiden

Wenn Sie eine Karriere anstreben, müssen Sie sich für Zeiten zwischen vier und zwölf Jahren verpflichten. Außerdem besteht die Möglichkeit zum freiwilligen Wehrdienst, dieser beträgt zwischen 6 und 18 Monaten. Er eignet sich, um Wartezeiten auf einen Ausbildungsplatz zu überbrücken.

  • Die ersten sechs Monate sind immer Probezeit, Sie können jederzeit kündigen. In dieser Zeit sind Sie in der Regel in Deutschland in einer Kaserne. Sie lernen keine echten Einsätze kennen.
  • Danach dürfen Sie nicht mehr vorzeitig  kündigen, Sie müssen bis zum Ende der Verpflichtungszeit bei der Bundeswehr bleiben.
  • Falls Sie aus Gewissensgründen den Einsatz mit der Waffe ablehnen, erfolgt eine Prüfung Ihrer Gründe. Rechnen Sie mit einer Ablehnung. Viele Soldaten klagen vor Gericht, weil die Bundeswehr die Gründe nicht anerkannt hat. Im Jahr 2012 hat die Bundeswehr 60 Prozent der Anträge anerkannt, im letzten Quartal 2013 waren es nur 40 Prozent.
  • Sie müssen die Bundeswehr verlassen, wenn Sie einen Einsatz aus Gewissensgründen ablehnen. Die Anerkennung hat zur Folge, dass Sie arbeitslos sind. Dies führt zu finanziellen Problemen. Da die Bundeswehr Ihre Ausbildung bezahlt hat, sind Sie außerdem verpflichtet, die Kosten zurückzuerstatten.

Für die Bundeswehr sprechen die ausgezeichneten Karrieremöglichkeiten, aber es gibt auch viele Gründe, warum Sie sich dagegen entscheiden sollten. Versuchen Sie sich ohne wild romantische Vorstellungen von Freiheit und Abenteuer mit dem Einsatz in der Fremde auseinanderzusetzen. Sprechen Sie mit Menschen, die dabei waren, und treffen Sie in Ruhe Ihre Entscheidung.

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