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Warum ist der Beruf Bänkelsänger im 20. Jahrhundert ausgestorben?

Bänkelsänger begeisterten die Massen, bevor es Massenmedien gab.
Bänkelsänger begeisterten die Massen, bevor es Massenmedien gab.
Niemand wird heute mehr Bänkelsänger - es handelt sich dabei um einen Beruf, der im Verlauf des 20. Jahrhunderts komplett ausgestorben ist. Der Grund, warum das geschehen ist, liegt auf der Hand, sobald man sich klarmacht, was ein Bänkelsänger überhaupt war.

Der Beruf Bänkelsänger - eine kleine Erörterung

  • Der Beruf des Bänkelsängers wird häufig mit dem des Minnesängers verwechselt - inhaltlich beschäftigten sich beide Berufsstände aber mit komplett unterschiedlichen Thematiken. So sang der Minnesänger von Liebe, der Bänkelsänger hingegen von Leid und Tod.
  • Wenn Sie sich fragen, wer so etwas hören wollte, ist die Antwort einfach: jeder. Schreckliche Geschichten über Morde, über Krieg, über Hungersnöte und Ähnliches faszinieren die Menschheit seit jeher. Und so waren die Männer, Paare und ganzen Familien, die früher als Bänkelsänger umherzogen, außerordentlich beliebt.
  • Ihre Geschichten schnappten sie auf Reisen auf oder entnahmen sie den ersten raren Zeitungen, die im frühen 18. Jahrhundert kursierten. Dann woben sie daraus Verse und Moritaten. Anschließend wurde ein Bild der "Neuigkeit", von der sie berichten wollten, auf eine Schautafel gebannt.
  • Mit dieser Tafel, einem Podest und meist einer Ziehharmonika begaben sie sich dann auf die Marktplätze, um dort ihre Kunst vorzutragen und selbstverständlich Geld von den umstehenden Zuhörern zu erwarten.

Damals war der Beruf des Bänkelsängers lukrativ - heute ist er ausgestorben. Natürlich wird da die Frage nach dem Warum laut. Häufig soll diese in der Schule in einem Aufsatz erklärt werden. Wenn auch Sie auf der Suche nach einer Erklärung sind, helfen Ihnen die folgenden Ausführungen.

Darum ist der Beruf im 20. Jahrhundert ausgestorben

  • Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass die Tätigkeit des Bänkelsängers recht mittelalterlich wirkt - allein das Bild vom Treiben auf dem Marktplatz, das bei der Vorstellung im Kopf entsteht. So ist es nicht verwunderlich, dass das Zeitalter der Industrialisierung das Ende des Bänkelgesanges einläutete. Durch neue Techniken und neue Arbeitsmöglichkeiten setzte die Verstädterung ein, unter mehr Menschen auf engerem Raum verbreiteten sich Informationen von ganz allein viel schneller.
  • Das 20. Jahrhundert wird auch als Medienzeitalter bezeichnet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Nach und nach führten zahlreiche Länder die allgemeine Schulpflicht ein, wodurch auch Mädchen und Jungen aus einfachen Verhältnissen Lesen und Schreiben lernten.
  • Dies war fruchtbarer Boden für die ersten Massenmedien, denn vorher waren Zeitungen den Privilegierten vorbehalten gewesen, nun konnte sie jeder lesen.
  • Dazu kamen die Möglichkeiten schneller Kommunikation, also Telegramme und schließlich auch das Telefon, wodurch sich Nachrichten rasant verbreiteten.
  • Der Zeitungsmarkt wurde größer, denn die Fülle an zu verbreitenden News aus immer größeren Bereichen der Welt wuchs - genau wie das Publikum.
  • Nach den Zeitungen verbreitete sich das Radio, das in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts bereits voll zugänglich war. In der Mitte jenes Jahrhunderts kam dann schließlich der Fernseher dazu, der in immer mehr Haushalten zugegen war.
  • Kurzum: Die Medien beschleunigten das Verbreiten von Nachrichten immer stärker, sodass schlimme Geschehnisse in Druck-, Radio- oder Fernsehform viele Menschen nicht nur kurz nachdem sie passiert waren, sondern auch in professionell und publikumsheischend aufgemachter Form erreichten.

Und hier schließt sich der Kreis, denn wer sich eine Zeitung kaufen oder einfach den Fernseher einschalten kann, um die schlimmen Dinge aus der Welt zu erfahren, um sich über Kriege, Unglücke und Hungersnöte zu informieren, braucht keinen Bänkelsänger mehr. Aus diesem Grund ist der Beruf schließlich ausgestorben. Doch gibt es einen legitimen Nachfolger? Und gibt es wirklich gar keine Bänkelsänger mehr?

Der Bänkelgesang heute - Ansätze

  • Immer noch gibt es Menschen, die den Bänkelgesang als Hobby betreiben. Meist werden dabei Moritaten vorgetragen, die aus alten Zeiten erhalten sind. Vor allem in Norddeutschland, wo es ohnehin viele Bänkelsänger gab, ist dieses Hobby beliebt.
  • Dazu kommen Liedermacher wie beispielsweise Michael Günther, Hannes Wader oder Reinhard Mey. Auch diese arbeiten in ihren Stücken reale Geschehnisse auf und tragen sie über ihre Musik an ihr Publikum. Durch die Veröffentlichung von Aufnahmen entsteht eine Symbiose zwischen altem Bänkelsängertum und modernen Medien.
  • Apropos Symbiose: Auch Twitter ist als moderne Methode des Bänkelgesanges nicht zu vernachlässigen. Schließlich ist es dieses Medium, über das sich "frische" Informationen heute am schnellsten verbreiten. Die Twittergemeinde, die tweetet und retweetet, wird sozusagen zum Bänkelsang-Konglomerat und verbreitet moderne Moritaten in Highspeed.
helpster.de Autor:in
Sarah Müller
Sarah MüllerSarah hat Sozialwissenschaft studiert und sich dadurch mit Kultur auseinandergesetzt. Dabei lernte sie auch technische Themen kennen. Sie hat zu Ernährung und Sport geforscht.
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