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Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie? - Entscheidungshilfe für die Ausbildung

Zwei Richtungen, ein Ziel - Therapeut
Zwei Richtungen, ein Ziel - Therapeut © Gerd_Altmann_Shapes_Graphicxtras / Pixelio
Obwohl der „Schulenstreit“ zwischen Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie heute nicht mehr sehr stark ist und zwischen Vertretern beider Richtungen in einigen Punkten Einigkeit besteht, müssen sich Studierende mit dem Berufsziel Therapeut auch heute noch zwischen beiden Richtungen entscheiden. Eigeninitiative ist gefragt, weil das Studium der Psychologie selbst oft nur wenig Einblicke in die jeweiligen Richtungen bietet.

Allgemeines zu den Therapieformen

  • Die Verhaltenstherapie basiert ursprünglich auf der behavioristischen Psychologie nach Watson und Skinner, die mit ihrem "Black-Box-Modell" innere Prozesse in der Psyche von der wissenschaftlichen Untersuchung ausschließt. Die moderne Verhaltenstherapie basiert auf dem Kognitivismus und bezieht Erkenntnisse aus der allgemeinen psychologischen Forschung in die Therapie ein.
  • Grundsätzlich ist Verhaltenstherapie auf gegenwärtige Probleme fokussiert. Statt dem Patienten möglichst viel Raum für die Schilderung und Betrachtung seiner Probleme aus der "Ich-Perspektive" zu geben, wird in einer "Wir-Perspektive" gemeinsam die momentane Problematik erarbeitet, um dann - ebenfalls gemeinsam - nach Lösungen zu suchen.
  • Die Therapie ist stark strukturiert. Es gibt Manuale, in denen Therapeuten nachschlagen können, um bestimmte Maßnahmen passend zu jeweiligen Störungsbildern einzusetzen. Häufig angewendet werden auch Rollenspiele, Kommunikationstraining oder Entspannungsverfahren (wie progressive Muskelrelaxation).
  • Die Tiefenpsychologie hingegen basiert auf der Annahme, dass es unbewusste Prozesse gibt, über die sich der Patient nicht im Klaren ist. Diese Idee wurde schon von Philosophen wie Nietzsche entwickelt, jedoch erst von Sigmund Freud in eine Therapieform überführt - die Psychoanalyse. Heute basieren tiefenpsychologische Ausbildungen auch auf Konzepten von C.G. Jung und Alfred Adler, die als Zeitgenossen Freuds die Tiefenpsychologie weiterentwickelt haben.
  • Gemein ist den drei unterschiedlichen Schulen der Tiefenpsychologie, dass sie Konflikte zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten annehmen - diese seien durch Entwicklungen in der Kindheit bedingt. In der tiefenpsychologischen Therapie wird dem Patienten Raum gegeben, seine aktuellen wie früheren Beziehungserfahrungen zu untersuchen und neue, flexiblere Interaktionsmuster zu erlernen.

Wie Sie sich zwischen Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie entscheiden

  • Um sich weitergehend mit den unterschiedlichen Annahmen der therapeutischen Schulen zu beschäftigen, sei Ihnen das Lesen von Originalliteratur sowie aktueller Literatur zu Tiefenpsychologie wie Verhaltenstherapie empfohlen.
  • Besuchen Sie unterschiedliche Ausbildungsinstitute. Diese bieten regelmäßig Infoabende an, die teilweise auch Selbsterfahrung umfassen. Notieren Sie sich vorher Fragen, die Sie stellen wollen. Seien Sie kritisch und ehrlich - eine psychotherapeutische Ausbildung umfasst mindestens drei Jahre, Ihre Entscheidung sollte daher auf einer soliden Basis stehen.
  • Beide Schulen haben ihre Vor- und Nachteile. So wurde der Tiefenpsychologie von Verhaltenstherapeuten oft Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen. Die Behandlungsdauer von einem bis mehr als zwei Jahren und die hohe Sitzungsfrequenz (zwei- bis dreimal pro Woche) werden in der heutigen Zeit oft als unangemessen gesehen.
  • An der Verhaltenstherapie wird von Tiefenpsychologen wiederum oft kritisiert, mit ihrem Fokus auf die Krankheit nicht genug Raum für die Bearbeitung der zugrunde liegenden Ursachen zu bieten. Es komme dadurch zu einer Symptomverschiebung. In der Beziehung zwischen Therapeut und Patient geht es vor allem um die Krankheit, was aus tiefenpsychologischer Sicht keine positive neue Beziehungserfahrung ist.
  • Der Vorteil der Verhaltenstherapie liegt in ihrer Strukturiertheit. Sind Sie ein Mensch, der gerne mit Manualen arbeitet und sich an Richtlinien hält, so kann die Ausbildung in Verhaltenstherapie für Sie eine gute Wahl sein.
  • Ist Ihnen hingegen Selbsterfahrung wichtig und wollen Sie Ihre therapeutische Tätigkeit auch auf eine gereifte eigene Persönlichkeit bauen, so sei Ihnen eher die Tiefenpsychologie empfohlen. Viele Verhaltenstherapeuten beklagen den Mangel an Selbsterfahrung und Auseinandersetzung mit den eigenen psychischen Strukturen - und einige von ihnen kommen als fertige Therapeuten zu Analytikern in die Supervision.
  • Schließlich spielt bei der Entscheidung auch die Dauer der Behandlung eine Rolle. Wenn Sie sich für die Verhaltenstherapie entscheiden, werden Ihre zukünftigen Patienten in der Regel eher kurze Behandlungszeiten haben. Zwar ist es möglich, Langzeitanträge zu stellen, allerdings zielt das Verfahren eher auf eine schnelle Behandlung.
  • Möchten Sie viel Zeit und Raum für die individuellen Prozesse der Patienten, so ist die Ausbildung in Tiefenpsychologie eher die richtige für Sie. Mit einer Weiterbildung in analytischer Therapie können Sie Anträge auf bis zu 300 Therapiestunden stellen.
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