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"Strukki" und Co. - Strukturvertrieb verständlich erklärt

"Strukkis" erhalten Provision und keinen Stundenlohn.
"Strukkis" erhalten Provision und keinen Stundenlohn.
Strukturvertriebe sind insbesondere in der Versicherungs- und Finanzbranche oft gesehen und oft umstritten. Das Ansehen reicht von dem einer "Drückerkolonne" mit sektenähnlichen Praktiken bis zu dem einer wirklich überzeugenden Karrierechance - ja, es gibt sogar Bücher prominenter Strukturvertriebler, die von einer "Geldmaschine Strukturvertrieb" sprechen. Aber wie so ein Vertrieb überhaupt funktioniert, weiß in der Regel nicht, wer nicht oder nur auf unteren Stufen mitgearbeitet hat. Was ist und was macht denn genau ein "Strukki"?

Was genau die Struktur beim Strukturvertrieb ist

  • Strukturvertriebe haben ihre Vorbilder in den USA und heißen auch Multi-Level-Marketing-Systeme. Grundsätzlich ist dieses Vertriebssystem in vielen Branchen anzutreffen. So gibt es nicht nur auf dem Feld der Finanzdienstleistungen, sondern beispielsweise auch auf dem Markt für Haushaltswaren Strukturvertriebe (etwa den fast schon sprichwörtlichen Staubsaugervertreter).
  • Dem Modell liegt die Idee eines selbstständigen Mitarbeiters zugrunde, der zweigleisig arbeitet. Einerseits verkauft er, andererseits wirbt er neue Mitarbeiter an, die wieder selbstständig verkaufen und anwerben.
  • Wichtig ist der Faktor der Selbstständigkeit. Dadurch entstehen dem Unternehmen, dem der Mitarbeiter de facto angehört, keine Kosten außer Provisionen. Diese würden bei einem angestellten Mitarbeiter anfallen. Manche Strukturvertriebe zahlen ihren Vertretern zwar ein Gehalt, aber sie fordern, dieses durch Abschlüsse "ins Verdienen zu bringen". Der Vertreter muss also mindestens so viel Provision erwirtschaften, um diesen Vorschuss wieder auszugleichen.
  • Der Mitarbeiter lebt ausschließlich von seiner Provision, die er für jeden Abschluss erhält. Allerdings erhält der Mitarbeiter nicht die ganze Provision. Er muss sie teilweise an den Mitarbeiter abgeben, der ihn angeworben hat - seinen Strukturhöheren oder "Strukki".
  • Auch dieser ist angeworben worden und so partizipiert der Mitarbeiter, der an der Spitze der Struktur steht (etwa der "Generalrepräsentant" bei der früheren Hmi oder "Direktionsleiter" der DVAG), an der Provision, die "seine Leute" erwirtschaftet haben. Durch diese Zweigleisigkeit ist der Mitarbeiter in zweierlei Hinsicht motiviert, da er nur durch Verkäufe verdient und auch nur durch die Anwerbung weiterer Mitarbeiter aufsteigen kann. Der Aufstieg selbst vollzieht sich innerhalb der Struktur.

Die Rolle des "Strukki"

  • Was den "Strukki" zum "Strukki" macht ist Leistung. Anders als im regulären Vertrieb bemisst sich diese Leistung weniger an Absatzzahlen als an Anwerbungen. Merken Sie sich daher also die Faustformel, dass Sie durch Verkäufe Ihre Existenz sichern, durch Anwerbungen aber Ihren Aufstieg.
  • Der "Strukki" ist Führungskraft und Autorität. Viele Strukturvertriebe werden unter anderem deswegen kritisiert, weil die Führungskräfte durch die Art ihres Aufstiegs nicht unbedingt über betriebswirtschaftliches Wissen, Managementerfahrung oder über die Fähigkeit zur Mitarbeiterführung verfügen.
  • In besonders negativen Fällen kann dies Cliquenwirtschaft, Konflikte und Mobbing fördern. Viele Unternehmen haben jedoch die Zeichen der Zeit erkannt und führen entsprechende interne Schulungen durch, um ihre "Strukkis" entsprechend zu qualifizieren.

Strukturvertrieb und Schneeballsystem

  • Der offenkundigste Unterschied zwischen Strukturvertrieb und Schneeballsystem ist, dass letzteres illegal ist. Aber um die Abgrenzung richtig vorzunehmen, müssen Sie darauf schauen, was wie vertrieben wird und worauf der Schwerpunkt liegt. Ein Vertriebssystem, dessen Schwerpunkt auf dem Verkauf "nach innen" liegt, ist zumindest verdächtig, ein Schneeballsystem zu sein.
  • Das Prinzip funktioniert dabei folgendermaßen: Die Mitarbeiter des Vertriebs müssen, um ihre Aufgabe wahrnehmen zu können, beim Unternehmen beziehungsweise bei ihrem Anwerber die Produkte einkaufen, die sie später verkaufen. Ziel des späteren Verkaufs sind nicht nur externe Kunden, sondern auch wieder neu anzuwerbende Mitarbeiter, an deren Verkaufsprovisionen sie dann wieder teilhaben.
  • Das System rechnet sich also allenfalls auf den oberen Stufen und bricht in dem Moment zusammen, in dem nicht genug Mitarbeiter angeworben werden können, um die erforderlichen Mengen des Produktes abzunehmen und abzusetzen, um die eigene Existenz zu sichern. Viele Mitarbeiter verlassen das Unternehmen verschuldet, weil sie zuerst investieren mussten, um die zu verkaufenden Produkte zu erwerben.
  • Verwechseln Sie dieses Schneeballsystem aber nicht mit dem Anlagesystem eines Bernie Madoff. Dieser musste beständig neue Investitionen akquirieren, um bestehende Verträge bedienen und Verluste ausgleichen zu können. Als die Kunden dann größere Rückzahlungen forderten, brach das System Madoff zusammen.
  • Demgegenüber ist beim Strukturvertrieb der Fokus klar nach außen gelegt. Der Mitarbeiter muss nicht erst beim Unternehmen einkaufen oder in teure Seminare investieren, sondern erhält eine Verkaufsschulung, nach der er dann - als Selbstständiger - eigenverantwortlich verkauft und die Möglichkeit hat, eine eigene Struktur aufzubauen.

Den Strukturvertrieb zu verteufeln, ist also sicher ebenso falsch, wie ihn bedingungslos gutzuheißen. Er ist eine Chance für viele Menschen in schwierigen beruflichen Ausgangslagen durch Leistung ein relativ gutes Auskommen zu finden - auch wenn nur wenige wirklich "reich" werden. Er stellt hohe Ansprüche an die Personalführung, da nicht nur das Personal fachgerecht geschult werden muss, sondern auch eine produktive Unternehmensethik durch- und umzusetzen ist.

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