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Plasmapherese - Erfahrungsbericht

Ähnlich der Dialyse, wird bei der Plasmapherese maschinell Blut gereinigt.
Ähnlich der Dialyse, wird bei der Plasmapherese maschinell Blut gereinigt.
MS, Borreliose, Polyneuropathie - für alle drei genannten Krankheiten eröffnen sich mit dem Technologiezeitalter neue Behandlungs- und Symptombekämpfungsmöglichkeiten, die die Lebensqualität Betroffener weiter verbessern. Ein Beispiel hierfür ist die Plasmapherese.

Plasmapherese - mein altes, neues Blut

Bei der Plasmapherese wird das Blut durch die Zentrifugalkräfte einer mehrere 100.000 Euro teuren Maschine in Plasma, auch Blutwasser genannt, und feste Blutbestandteile, wie rote Blutkörperchen getrennt.

  • Während die festen Bestandteile unverändert wieder zurück in den Körper geführt werden, wird das Plasma vor der Rückführung ersetzt - bevorzugt durch Wasser mit Zusätzen, seltener auch durch Spenderplasma. Der Patient erhält so "gesäubertes" Blut zurück, da das Plasma bei Erkrankungen wie Borreliose die schädlichen Bestandteile enthält. So erklären mir die zuständigen Ärzte im April 2014 die Prozedur, die bevorsteht. Noch Fragen?
  • Ja, selbstverständlich habe ich die. Wie wird das Blut entnommen? In meinem Fall durch einen 15 Zentimeter langen Shaldon. Shaldon? 15 Zentimeter? Sie erklären mir, es handle sich um einen Venen-Katheter mit mehreren Zugängen - im Großen und Ganzen zwei für den Rücklauf und einen für den Blutfluss. Derselbe Katheter werde auch für die Dialyse verwendet.
  • So weit so gut, aber wohin mit dem Shaldon? In der Arm- oder Beinvene sei es generell möglich, aber bevorzugt werde die Halsvene. Das liege am Infektionsrisiko: Die Arme und Beine seien eher in Bewegung und daher weniger geeignet. Außerdem dauere die "Blutwäsche" hier länger - circa drei Stunden, während die Plasmapherese über die Halsschlagader mit modernen Geräten nicht einmal eine volle Stunde dauere. Als ich trotzdem die Armvene favorisiere, lehnen sie ab. In meinem Fall gehe das nicht. Meine Venen seien zu dünn und könnten verletzt werden.
  • Die Halsvene also. Welche Risiken gehe ich damit ein? Der Zugang kann sich entzünden, Viren können eintreten, wenn nicht steril gearbeitet wird. Beim Legen des Katheters kann die Vene verletzt werden, aber das komme äußerst selten vor.

Trotz der Risiken willige ich ein, denn die Prozedur ist im Kreiskrankenhaus längst Routine. 

Wer gesund sein will, muss leiden?! - Shaldon-Katheter

Es geht los, Unter absolut sterilen Bedingungen wird mir in einer "Mini-OP" ein Shaldon gelegt.

  • Die Betäubung erfolgt lokal per Spritze. Während der Katheter eingeführt wird, muss ich die Luft anhalten. Weh tut nur die Betäubung. Die OP selbst ist schmerzlos. Nur einen Druck auf der Kehle spüre ich. Das Nähen bemerkt man kaum. Moment - nähen?
  • Der äußere Teil des Shaldon wird mit meinem Hals vernäht, damit er sich nicht verhängen kann. Ob ich ihn aus Versehen heraus reißen könnte, das frage ich mich. Ich werde beruhigt - ein fester Druckverband tut den Rest. 
  • Ich wage kaum, mich zu bewegen, doch damit stoße ich auf lautes Gelächter. Jede Bewegung sei möglich. Ich könne die Halsschlagader dadurch unter keinen Umständen schädigen. Der Druck auf meiner Kehle bleibt - erst nach einigen Tagen der Gewöhnung und einem noch professionelleren Verband verschwindet er endlich. Wenn ich mich aufsetze, zieht die Naht. Ich stütze den Kopf beim Erheben mit der Hand und auch dieses Problem ist gelöst. 

Als es an die "Blutwäsche" geht, ist mir etwas mulmig. Zu Unrecht, wie sich heraus stellt. 

Saubere Sache! - so läuft die "Blutwäsche"

Zu allererst überprüfen sie per Blutbild meinen Gerinnungsfaktor.

  • Ist der zu niedrig, dann dürfen sie die Plasmapherese nicht durchführen, sagen sie. Damit das Blut in die Maschine fließe, müssten sie Blutverdünnungsmittel zusetzen. Bei zu dünnem Blut sei das nicht durchzuführen.
  • Gerinnungsfaktor überprüft und schon kann es losgehen. Die Zugänge werden geöffnet und desinfiziert. Alle Anwesenden tragen Mundschutz, Haarnetz und Handschuhe. Als die Schläuche durchgespült werden, damit sie sich öffnen, habe ich das Gefühl, Flüssigkeit rinne meine Kehle hinab. Nein, ich spüre die Flüssigkeit in meiner Vene, verrät mir die Schwester während sie die Zugänge an die Maschine anschließt.
  • Während der Plasmapherese spüre ich kaum etwas. Mir wird ein wenig kalt und meine Lippen kribbeln - das liege an den Zusätzen. Die werden immer neu in die Maschine eingehängt. Das tägliche Blutbild entscheidet, welche Stoffe mein Körper braucht, weil sie durch die "Blutwäsche" mit herausgespült wurden. Mein Immunsystem sei durch die Prozedur geschwächt, erklären sie mir. Tatsächlich erkälte ich mich kurz darauf heftig, doch den Sitzungen tut das keinen Abbruch.
  • Nach je einer Stunde löst die Schwester mich von der Maschine, spült die Zugänge, verschließt sie und erneuert meinen Verband. Viele hätten nach der Prozedur Kreislaufprobleme, sagt sie. Ich gehöre nicht dazu. Gleich danach stehe ich auf und gehe spazieren.
  • In zwei Wochen werde ich sechs Mal behandelt. Je ein Tag Pause liegt zwischen den Sitzungen. Mit dieser Technik könnten sie 98 Prozent meines Blutwassers austauschen, erzählen sie stolz. Mehr gehe theoretisch auch, aber der Nutzen sei geringer als Aufwand und Risiko. Die letzten zwei Prozent würden daher so gut wie nie gefiltert.
  • Während der zwei Wochen Behandlung darf ich meine Haare nicht waschen. Der Shaldon darf nicht nass werden, daher benutze ich Trockenshampoo - mit relativ gutem Effekt. Ich gehe nach jeder Behandlung nach Hause. Für jede Sitzung lasse ich mich wieder stationär aufnehmen und am Ende des Tages entlassen. Das Krankenhaus meint, meine Krankenkasse könne deshalb Zicken machen, gesundheitlich bestehe jedoch kein Risiko.
  • Als ich nach sechs Blutwäschen bei 98 Prozent Filtervorgang angekommen bin, wird der Shaldon gezogen. Ich merke kaum etwas: Muss die Luft anhalten und die Sekunde später ist er Geschichte. Einige Minuten wird fest auf meine Halsschlagader gedrückt. Eine halbe Stunde bleibe ich liegen, damit die Vene keine Luft zieht.

Dann gehe ich nach Hause - der spannende Teil beginnt erst jetzt.

28 Tage später - hilft die Plasmapherese?

70 Prozent aller Patienten erfahren mit der Plasmapherese deutliche Besserung, so sagen meine Ärzte zu Beginn.

  • Ob das auf mich zutreffe könne man erst nach circa 28 Tagen sagen. Nach den ersten drei Behandlungen würden viele Patienten zwar bereits einen Effekt bemerken, aber erst Wochen nach der letzten Sitzung sei die Frage der Wirksamkeit im Einzelfall geklärt.
  • Nach etwa 28 Tagen nämlich habe sich der Körper wiederhergestellt. Das Blutbild zeige wieder "reale" Werte, Stoffe seien nachproduziert und der erniedrigte Gerinnungsfaktor (hoffentlich) Geschichte. Würde das Blutbild dann keine normalen Werte zeigen, müsse man eventuell an einen Plasmaspender oder medikamentöse Behandlungen denken, doch auch das käme äußerst selten vor.
  • Meine Werte normalisieren sich. Meine Krankheitssymptome bessern sich nach der ersten Woche. Täglich passiert ein bisschen. Die 28-Tage-Regel gilt für mich nicht: Auch nach zwei Monaten verbessert sich mein Zustand noch täglich um ein kleines bisschen. Innerhalb der ersten 28 Tage können Symptome wieder zurück kehren, so sagen sie. In meinem Fall geschieht nichts dergleichen. Es geht stetig bergauf.

Zwei Monate lang war ich halbseitig gelähmt. Ich laufe wieder. Ich renne wieder. Ich tanze wieder. Für mich ist die Plasmapherese ein kleines Wunder, vor dem niemand Angst haben sollte. Ich zumindest verdanke der "Blutwäsche" ein großes Stück Leben.

helpster.de Autor:in
Sima Moussavian
Sima MoussavianFür Sima liegt die Schule noch nicht weit zurück. Sie erinnert sich noch gut an die Inhalte. In ihrer Freizeit lernt Sima gerne neues und probiert sich dabei auch im Heimwerken.
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