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Neologismus - Wirkung und Anwendung

Der Wortschatz einer lebendigen Sprache wird durch Neologismen bereichert.
Der Wortschatz einer lebendigen Sprache wird durch Neologismen bereichert.
Haben Sie bemerkt, wie sich die deutsche Sprache im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte verändert hat? Sprachwandel ist ein natürliches Phänomen jeder lebendigen Sprache. Neue Wörter kommen hinzu, andere verschwinden nach und nach aus dem aktiven Wortschatz. Ein Wort, das aus bereits existenten Wortformen abgeleitet oder komplett neu gebildet wird, nennt man Neologismus. Weil Neologismen eine ganz bestimmte Wirkung erzielen können, treten sie häufig in Literatur, Werbung und Internet auf. Im deutschen Sprachgebrauch können Sie etliche solcher Wortneuschöpfungen entdecken.

Was ist ein Neologismus?

Das Wort "Neologismus" stammt aus der griechischen Sprache. Es besteht aus den zwei Bestandteilen "neo" für "neu" und "logos" für "Wort". Ein Neologismus ist demnach nichts anderes als ein neues Wort. Neue Wörter können auf unterschiedliche Weise in den Wortschatz einer Sprache übernommen werden.

  • Eine beliebte Form des Neologismus ist die des Kompositums. Dies ist ein Wort, das sich aus zwei Wortbestandteilen zusammensetzt, wie z.B. der vergleichsweise junge Ausdruck "Internetcafé". Hierbei handelt es sich um ein Determinativkompositum. Durch den Zusatz "Internet-" wird das Grundwort "Café" näher bestimmt. Auf diese Weise lassen sich viele bekannte Wörter mit neuer Bedeutung aufladen.
  • Eine weitere Möglichkeit ist es, bereits existente Wortformen neu nach den gewohnten, sprachlichen Regeln zusammenzusetzen. Ein Beispiel dafür ergibt sich, wenn Sie die Kombination aus Substantiv und Verb zu einem einzigen Verb machen. Kürzer als der Ausdruck "Sport treiben" ist das Verb "sporteln". Die Bedeutung ist identisch, doch ein einziges Verb fügt sich eleganter in den Satz ein.
  • Ein charakteristischer Neologismus aus dem heutigen Sprachgebrauch ist die Verbkonstruktion "simsen". Der Ausdruck "SMS schreiben" ist umständlich und lang. Kürzer und auch sprachlich eleganter ist die Verknüpfung des Wortes "SMS" mit der im Deutschen üblichen Infinitivendung -en. Da das Ergebnis "SMSen" unangenehm zu sprechen ist, wird der Vokal "i" eingeschoben. 
  • Auch Einflüsse aus anderen Sprachen spielen eine Rolle für Neologismen. Dies fällt besonders im Internetzeitalter auf. Englische Ausdrücke schleichen sich in den aktiven, deutschen Sprachgebrauch ein. Diese werden den Regeln der deutschen Grammatik angepasst. Auf diese Weise entstehen englische Ausdrücke mit deutschen Endungen. Beispiele sind Verben wie "downloaden", "upgraden" oder "liken". 
  • Neben Zusammensetzungen und Ableitungen lassen sich Neologismen auch durch Bedeutungsübertragung herstellen. Dass der Begriff "Maus" heute zwei Bedeutungen hat, ist dem Computerzeitalter zu verdanken. Ebenfalls aus diesem Bereich stammt der Ausdruck "Virus". Dieser war früher nur mit menschlichen Krankheiten verbunden, verweist heute aber zusätzlich auf ein Computerproblem.

Neologismen in der Werbung

In der Werbung werden Sie Neologismen besonders häufig antreffen. Neologismus bieten nämlich den Vorteil, bereits bekannte Wörtern mit neuen Assoziationen zu verknüpfen.

  • Erinnern Sie sich noch an die Duplo-Werbung, in der ein Schokoriegel bei der Partnerwahl behilflich war? Hier benutzten die Werbemacher die Wortneuschöpfung "Duplomatie".
  • Dieses Wort existiert nicht, doch es ähnelt dem bedeutungsverwandten Wort "Diplomatie" sehr. Durch dieses Wortspiel versuchen die Werbemacher, dem Spot eine witzige Komponente zu verleihen.
  • Auch in der Internetwerbung tauchen gehäuft Neologismen auf. Die Partnerschaftsbörse Parship benutzt den Slogan "ich parshippe jetzt". Aus dem englischen Wort für "Partnerschaft" wird ein neues Verb mit deutscher Verbendung.
  • Auf diese Weise erhält der Ausdruck eine zusätzliche Bedeutung, was auch die Wirkung steigert. Als Verb wirkt der Ausdruck wesentlich aktiver als das neutrale Substantiv. So hofft man, die Besucher der Homepage schon sprachlich zu motivieren.

Wortneuschöpfungen und ihre Wirkung in der Literatur

Neologismen sind nicht nur Bestandteil der gesprochenen Sprache, sondern auch beliebte Stilmittel. Als rhetorische Figur treten sie in Vorträgen auf, noch häufiger allerdings in der Literatur.

  • Wortneuschöpfungen in der Literatur sorgen für vielfältige Bedeutungsnuancen und erhöhen als eine Wirkung den Originalitätsgehalt. Mit ihrer Hilfe kann der Autor seine literarische Wortwahl noch besser von der Alltagssprache abheben. Auf diese Weise verschaffen sie ihm nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich einen Wiedererkennungswert.
  • Ein Meister der kreativen Wortschöpfungen im Deutschen ist der Schriftsteller Walter Moers (geb. 1957). Viele seiner Romane spielen in dem fiktiven Land Zamonien. Allein dieser Begriff ist ein Neologismus. Der erste Teil des Wortes ist frei erfunden, an der bekannten Endung "-ien" erkennen Sie jedoch, dass es sich um ein Land handelt.
  • Die Zamonien-Romane enthalten Wortneuschöpfungen in Hülle und Fülle. Ein besonderes Kleinod ist der Ausdruck "Schreckse". Hier verbindet Walter Moers die Wörter "Schreck" und "Hexe", denn genau darin besteht auch die Bedeutung des Ausdrucks. Schrecksen sind in ihrem Äußeren schrecklich und haben besondere Fähigkeiten wie Hexen.
  • Die lautmalerische Komponente ist für das Stilmittel des Neologismus oft entscheidend. In Moers' Buch "Das Labyrinth der träumenden Bücher" kreiert er eine ganze Reihe neuer Wörter, die den bereits existenten Wortstamm "biblio-" enthalten. Diesen verbindet er mit Bestandteilen anderer bekannter Wörter.
  • Trotz der Unbekanntheit des Wortes kann der Leser die Bedeutung erahnen. Als "Biblionismus" gilt alles, was mit Büchern eng in Verbindung steht. Jemand, der Bücher hasst, ist bibliophob, jemand, der rein mechanisch liest, ist ein Bibliomat. Diese Art, mit Worten zu spielen, macht die Romane von Walter Moers zu einem besonderen Lesevergnügen.
  • Als literarische Phänomene sind Neologismen auch für die Poesie und Poeten, wie Joachim Ringelnatz (1883-1934) charakteristisch. Dieser beginnt sein Gedicht "Morgenwonne" mit dem Satz: "Ich bin so knallvergnügt erwacht." Die Bestandteile des Wortes "knallvergnügt" sind bekannt, die Kombination jedoch ist neu. Die Folge ist eine schwungvolle, muntere zusätzliche Bedeutung, die der Interpretation zugute kommt.

Neologismen als Symbol des Sprachwandels

Neologismen treten in sämtlichen Bereichen des deutschen Sprachgebrauchs auf. Eine besonders wichtige Quelle für Neologismen ist jedoch die Jugendsprache.

  • Gerade die Welt von Facebook, Twitter u. Co. verwenden Wortneuschöpfungen in Hülle und Fülle. So haben sich Verbkonstruktionen wie "liken", "chatten" und "downloaden" heute weitestgehend durchgesetzt.
  • Das Phänomen des Sprachwandels ist allgegenwärtig, aber nicht konfliktfrei. Manche beklagen den Zustand des angeblichen Sprachverfalls. Dieser äußere sich unter anderem durch den Einfluss fremdsprachiger Ausdrücke oder den Verlust von indigenen, also ursprünglichen, deutschen Worten.
  • Sprachwandelkritiker sollten sich jedoch vor Augen führen, dass eine Sprache nur durch Flexibilität lebendig bleibt. Da sich auch die Umwelt ständig verändert, muss ebenso die Sprache diese Fähigkeit haben.
  • Neue Zeiten und neue gesellschaftliche Errungenschaften erfordern auch eine sprachliche Anpassung. Auf diese Weise ist die Sprache ein Spiegel von Kultur und ein Symbol für eine sich stets verändernde Gesellschaft.

Auch Neologismen sind eine Bereicherung des aktiven Wortschatzes und sorgen mit dafür, dass eine Sprache lebendig bleibt. Gleichzeitig haben sie aber auch eine Funktion jenseits des wörtlichen Inhalts. Ihre Fähigkeit, lautmalerisch zu wirken, macht sie zu einem geeigneten Stilmittel in Literatur und Werbung. Wenn es um sprachliche Vielfalt und Kreativität geht, sind Wortneuschöpfungen also ein unverzichtbarer Bestandteil des aktiven Sprachgebrauchs.

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