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Die Wirkung der Kadenzen im Versmetrum - so wird sie erzielt

Gedichte können auch genossen werden, wenn man sie analysieren muss.
Gedichte können auch genossen werden, wenn man sie analysieren muss. © Lupo / Pixelio
In der Analyse eines Gedichts ist das meiste noch relativ eindeutig. Bei der Anzahl der Strophen kann man sich kaum irren; sehr viel schwieriger wird der Übergang von der Analyse zur Interpretation, wenn erklärt werden muss, welche Wirkung die Kadenzen, das Reimschema oder das Metrum im Zusammenhang mit dem Inhalt erzielen.

Was sind Kadenzen?

Als Kadenz wird die letzte Silbe eines Verses - also einer Gedichtszeile - bezeichnet.

  • Diese letzte Silbe kann entweder betont oder unbetont sein. Daraus resultieren zwei verschiedene Arten von Kadenzen.
  • Um das Metrum darzustellen, setzt man auf die betonten Silben einen Akzent.
  • Ist die letzte Silbe betont, so spricht man von einer "männlichen" Kadenz. Manchmal taucht auch die Bezeichnung "stumpfe" Kadenz auf. Ein bekanntes Beispiel ist etwa Goethes Erlkönig: "Wer rèitet so spàt durch Nàcht und Wìnd? / Es ìst der Vàter mit sèinem Kìnd;" - Hier sind die beiden Vers-Enden (Wind und Kind) betont.
  • Das Gegenstück zur männlichen Kadenz ist die "weibliche" oder "klingende" Kadenz. Ein gutes Beispiel, das beide Kadenzen enthält, ist Rilkes "Einmal nahm ich", das folgendermaßen beginnt: "Èinmal nàhm ich zwìschen mèine Hànde / dèin Gesìcht. Der Mònd fiel dàrauf èin. / Ùnbegrèiflichstèr der Gègenstànde / ùnter ùberflìeßendèm Gewèin." - Der erste und der dritte Vers enden weiblich (Hände und Gegenstände), die anderen beiden männlich (ein und Gewein).

Ihre Wirkung im Gedicht

Wie die letzte Silbe betont wird hängt auch mit dem Metrum zusammen.

  • Der Erlkönig besteht konsequent aus Jamben (unbetont - betont), der genau wie der Anapäst (unbetont - unbetont - betont) im Allgemeinen eine recht lebendig-quirlige Wirkung hat. In diesem Falle kann man jedoch schlecht argumentieren, dass die Kadenz die Freude am Leben betont, da das fiebernde Kind ja stirbt; eher wird damit der Galopp des Pferdes aufgenommen, vielleicht auch die Geschwindigkeit, mit der das Kind auf den Tod zusteuert.
  • Für die weibliche Kadenz gilt das Gegenteil. Die entsprechenden Zeilen in dem zitierten Rilke-Gedicht bestehen aus Trochäen (betont - unbetont), die im Gegensatz zum Jambus und Anapäst eher schwer und gehemmt klingen. Selbiges gilt für den Daktylus (betont - unbetont -unbetont).

Man sieht schon, dass man den Kadenzen nicht pauschal eine bestimmte Wirkung im Zusammenhang mit dem Inhalt zusprechen kann. Dennoch kann die Analyse helfen, sich besser in ein Gedicht einzufühlen.

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