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Die Sinfonie als musikalische Gattung

In einer Sinfonie erklingen sämtliche Orchesterinstrumente gleichzeitig.
In einer Sinfonie erklingen sämtliche Orchesterinstrumente gleichzeitig.
Wer schon einmal ein klassisches Konzert besucht hat, der hat eine ungefähre Vorstellung davon, was eine Sinfonie ist. Doch hinter dem Begriff verbirgt sich mehr als nur ein Stück Orchestermusik. Möchten Sie mehr zur Entstehung, Form und Charakteristik dieser musikalischen Gattung erfahren?

Hintergrundwissen zu Begriff und Entstehung

  • Wer heutzutage von einer Sinfonie spricht, meint damit ein mehrsätziges Orchesterstück, ein Werk also, das aus vielen verschiedenen und meist deutlich voneinander abgegrenzten Teilen besteht.
  • Da diese Definition jedoch noch zu allgemein wäre, gibt es bestimmte Formprinzipien, die vorliegen müssen, damit es sich um eine Sinfonie handelt. Gibt es eine außermusikalische Bedeutung, die dem Werk zugrunde liegt, ein inhaltliches Programm, dann handelt es sich um eine Programmsinfonie. Hector Berlioz' "Symphonie fantastique" ist ein berühmtes Beispiel für diese Art der Sinfonie.
  • Spricht man allgemein von sinfonischer Musik, meint man eine orchestrale Klangfülle, die durch die Besetzung vieler verschiedener Instrumentengruppen erreicht wird. Ein vollständiges Sinfonieorchester umfasst Holzblas-, Blechblas-, Streich- und Schlaginstrumente sowie manchmal auch seltenere Instrumente wie Klavier oder Harfe. Der Gegenbegriff zu sinfonischer Musik ist Kammermusik bzw. kammermusikalische Passagen, denn hier kommen nur einige wenige Instrumente zur Geltung, beispielsweise nur Flöten, Oboen und Fagotte.
  • Während wir unter dem Begriff der Sinfonie heute eine eigene musikalische Gattung verstehen, wurde der Begriff "sinfonia" zu Bachs Zeiten noch als Anfangs- oder Zwischensatz eines größeren Werkes bezeichnet. Wenn Bach beispielsweise eine Kantate für Chor und Orchester schrieb, war der erste Satz oft eine instrumentale Einleitung, die als "sinfonia" bezeichnet wurde. Dieser Name beschränkte sich nicht nur auf den Orchesterbereich, sondern zeigte sich auch in der Klavierliteratur.
  • Seit dem Beginn der Wiener Klassik etablierte sich die Sinfonie mehr und mehr zu einer eigenen Gattung, die im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt hatte und sich zur kompositorischen Königsdisziplin entwickelte. Ein berühmter Vorreiter war Joseph Haydn, der mit 104 Sinfonien einen stattlichen Beitrag zu der Gattung geleistet hat.
  • Um klassische Kompositionen besser voneinander unterscheiden zu können, unterteilt man sie in …

Formprinzipien der Sinfonie - die Sonatenhauptsatzform

  • Die klassische Sinfonie besteht aus vier Sätzen, denen jeweils verschiedene Formprinzipien zugrunde liegen. Der erste Satz folgt meistens dem Schema der Sonatenhauptsatzform, die - anders, als der Name vermuten lässt - nicht nur für Sonaten-, sondern auch für Sinfoniesätze verwendet wird.
  • Der Kopfsatz präsentiert in besonderer Weise das Erscheinungsbild der gesamten Sinfonie und ist meist mit schnellen Tempobezeichnungen, z.B. Allegro molto, überschrieben. Hier richten sich die meisten Komponisten nach dem gängigen Schema der Sonatenhauptsatzform. Diese basiert auf vier Abschnitten, namentlich Exposition, Durchführung, Reprise und Coda. 
  • In der Exposition werden die Themen des Satzes vorgestellt, beispielsweise ein schnelles, rhythmisch betontes Hauptthema und ein lyrisches, kantables Seitenthema. Steht das erste Thema in Dur, steht das Seitenthema in der Dominanttonart, bei einer Molltonika steht das Seitenthema in der parallelen Durtonart.
  • In der Durchführung werden die Themen nun verarbeitet und nach allen Mitteln des jeweiligen kompositorischen Stils weiterentwickelt. Die Reprise sorgt für einen Wiedererkennungseffekt, denn hier tauchen die Themen wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt auf. Die Coda ist dazu da, den Satz zu einem musikalisch sinnvollen Abschluss zu bringen, ohne neue Gedanken vorzustellen.
  • Die drei anderen Sätze sind in ihrer Form meist lockerer gehandhabt als der repräsentative Kopfsatz, der sozusagen das Aushängeschild der Sinfonie verkörpert. Der zweite Satz steht oft in langsamem Tempo, als Gegensatz zum Kopfsatz, während der dritte Satz sich gerne als Scherzo präsentiert. Dieses Scherzo fungiert in der oft ernsten musikalischen Umgebung als heiterer Ausgleich, in dem Komponisten ihre Neigung zu musikalischem Humor ausleben können. Der letzte Satz ist in seinen Ausmaßen wieder mit dem Kopfsatz vergleichbar. Formal wird hier häufig die Rondoform verwendet, die zusätzlich zu einem schnellen Tempo dafür sorgt, dass die Zuhörer die Melodien der Themen auch nach dem Konzertbesuch noch im Ohr haben.

Die Sinfonie als musikalischer Bedeutungsträger

  • Während die Sinfonie zur Zeit Haydns lediglich ein umfangreiches Instrumentalwerk darstellte, nutzten im Laufe der Epochen immer mehr Komponisten ihre Sinfonien dazu, außermusikalische Inhalte zu vermitteln. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet war sicherlich Ludwig van Beethoven. Seine 9. Sinfonie verdankt ihren enormen Bekanntheitsgrad vor allem dem Finalsatz, in dem die "Ode an die Freude" von Schiller ertönt. Die Möglichkeit, einen Chor in die Sinfonie mit einzubeziehen, wurde danach auch von anderen Komponisten aufgegriffen.
  • Im 19. und 20. Jahrhundert haben viele Komponisten versucht, ihren Sinfonien außermusikalische Bedeutung zu verleihen, ohne ihrem Werk ein Programm, einen Text oder Ähnliches zu unterlegen. Eine Möglichkeit ist es, der Sinfonie einen Titel zu geben, wie z.B. in der "Sinfonia eroica" - der "heroischen Sinfonie" - von Beethoven (1803/04). Diese Sinfonie hat Beethoven ursprünglich Napoleon gewidmet, die Widmung aber zurückgezogen, als er erfuhr, dass Napoleon sich selbst zum Kaiser hatte krönen lassen. Dennoch sind es musikalische Merkmale, die die Assoziation des Heroischen auch ohne den Bezug zu einer bestimmten Person nahelegen.
  • Auch Dmitri Schostakowitschs "Leningrader Sinfonie" von 1942 hat durch ihren Titel für Diskussionsbedarf gesorgt. Viele Zuhörer meinen hier, die Stimmung in Leningrad während der deutschen Blockade im Jahr 1941 herauszuhören. Die berühmte Variationsepisode im Kopfsatz, die unverkennbar an Ravels "Bolero" erinnert, wird oft mit dem Einmarsch von Hitlers Truppen verglichen. Hier ist jedoch die Frage, ob Schostakowitsch hier wirklich so konkrete Ereignisse und Personen im Blick hatte, oder ob er allgemein Aspekte wie Gewalt, Macht und Bedrohlichkeit musikalisch ausdrücken wollte. Daher sind auch die vier Satzüberschriften, die Schostakowitsch dem Werk ursprünglich vorangestellt hatte ("Krieg", "Erinnerung", "Heimatliche Weiten", "Sieg"), später aber wieder zurückgezogen hat, mit Skepsis zu betrachten.
  • Vor diesem Hintergrund bietet gerade eine rein instrumentale Musik, wie sie die Sinfonie verkörpert, unerschöpfliche Möglichkeiten, sie aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und immer wieder neu zu interpretieren.
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